Montag

"Verkauft mehr Waffen" - Wie der Leiter des FTD-Politikressort die Welt stabilisieren will


Der Blogger traut seinen Augen nicht, als er heute in der von ihm durchweg hoch geschätzten FTD vom 18.7.11 eine Kolumne von Andreas Theyssen auf Seite 24 liest, in der der Redakteur für den  umstrittenen Panzerexport-Plan ins autoritäre Saudi-Arabien eintritt. 
Theyssen argumentiert konfrontativ: Hier pragmatische Realpolitik - dort weltfremde Moral. Und überhaupt nützt es gar nichts - so Theyssen - wenn Deutschland keine Panzer exportiert, dann tun es halt andere. Das klingt so, als ob man auch einen Bankräuber bei seinen Bankraubplanungen am besten gleich gewähren lassen sollte, statt ihn daran zu hindern - denn wenn dieser die Bank nicht überfällt, dann tut es halt ein anderer. 
Nein, Herr Theyssen es ist nicht "sinnvoll", autoritäre Herrscher mit exportierten Panzern zu unterstützen. Saudi-Arabien kann die Panzer, speziell den für diesen Export vorgesehene Type des Leopard, der ausdrücklich für Kampf in Städten ausgerüstet ist, bequem gegen mißliebige Demonstranten im eigenen Land einsetzen. Es kann die Panzer bei einem politischen Frontenwechsel zur Unterstützung solcher Mächte benutzen, gegen die sie eigentlich bei unserem Export gedacht sind. Und es kann sie selber wieder für höchst zweifelhafte Exporte verwenden, über die wir keine Kontrolle mehr haben.
Zwar sagt die UNESCO in ihrer Präambel zurecht "Kriege entstehen in den Köpfen der Menschen", aber Kriege können nur mit der entsprechenden "hardware" geplant werden. Und mit mehr Waffenproduktion steigt auch die Kriegsgefahr.
Wer so ordnungspolitisch argumentiert wie Theyssen muß eine lange Wunschliste haben, wohin ausser nach Saudi-Arabien auch noch Waffen zur "Stabilisierung" geliefert werden sollten. Wie wäre es mit Tschetschenien, Myanmar, Südsudan, Russland (Ordnunganspruch im Kaukasus), Simbabwe, China (Ordnunganspruch gegen Tibet)? In derselben FTD, in der Theyssen schreibt, wurde am 11.2.2011 auf Seite 13 eine bemerkenswerte Liste von Staaten veröffentlicht, die Unterdrückung ihrer Bevölkerungen gerne euphemistisch als "stabilisierende Maßnahme" tarnen. Und wenn Andreas Theyssen auch schon zur Zeit des Balkankrieges so argumentiert hätte wie heute, hätte er wohl ein Plädoyer für Waffenlieferungen zugunsten Milosevic schreiben müssen, bei dem doch die "Stabilisierung" im Kosovo und Bosnien sehr hoch im Kurs stand.
Schließlich: Was spricht eigentlich im Sinne von Theyssens dagegen, dass wir möglichst bald den Taliban in Afghanistan die richtigen Waffen liefern, denn die werden doch jetzt schon von Karsai und den USA als die kommenden Stabilitätsgaranten dieses Landes hofiert. 
Die Argumentation, Waffenlieferungen wären für die Stabilität eines Landes oder einer Region förderlich, hat sich in so vielen historischen Fällen als gefährliche Illusion erwiesen, wir sollten nicht immer wieder von neuem darauf reinfallen. Und außerdem ist Andreas Theyssen ein aufmerksamer Blick in unsere Verfassung zu empfehlen: In Artikel 26 steht eindeutig, an welchen Kriterien sich deutsche Außenpolitik zu orientieren hat. Oder ist das Grundgesetz für Theyssen auch schon ein Anachronismus? Das hofft der Blogger  nicht - zugunsten der FTD!

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