Deutlicher kann das Urteil über den sinnlosen Krieg in Afghanistan nicht mehr ausfallen, seitdem wikileaks uns die Augen über die Brutalität und den Schmutz dieses Krieges geöffnet.
Herr Minister: warum warten sie immer noch bis die Amerikaner dieses verfehlte Abenteuer endlich beenden und abziehen? Geben Sie sich einen Ruck und holen Sie die deutschen Soldaten JETZT nach Hause, ehe es für viele zu spät ist. In Ihrem Abrüstungskurs gegen die Ambitionen der Generäle haben Sie schon viel Courage bewiesen und in Ihrer Demaskierung der Wehrpflicht-Ideologie sich sogar mit der Kanzlerin angelegt. Hut ab! Mit einem raschen Abzug Deutschlands aus dem korrupten Drogenland am Hindukusch können Sie nur gewinnen!
Solange diese Forderung nicht erfüllt ist, ist es gut, sich immer mal wieder das simple Ein mal Eins von Friedenspolitik vor Augen zu führen. Dazu hier eine Rede, die ich zum 60. Jahrestag der Beendigung des 2. Weltkrieges im Nienburger Rathaus gehalten habe:
„Nie wieder Krieg!“
(Rede am 8. Mai 2005 im Rathaus Nienburg/Weser)
Liebe Nienburger Bürgerinnen und Bürger!
Wie oft sind diese drei einfachen Worte wohl heute vor sechzig Jahren in unserer Stadt gesagt worden - in Deutschland – in Europa? Wie oft sind sie von unseren Eltern und Großeltern geseufzt worden, geschrieen, gebetet, geweint, gestöhnt? Diese drei klaren Worte: Nie wieder Krieg!
Heute, zum Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges haben wir uns hier versammelt und müssen Antwort auf zwei Fragen geben:
Erstens:
Was haben wir aus diesen drei Worten gemacht in den vergangenen 60 Jahren?
Und zweitens:
Welche Lehren ziehen wir aus diesen drei Worten für die Zukunft?
Erstens:
Was haben wir aus diesen drei Worten gemacht seit 1945?
Wir haben in entscheidenden Bereichen ernst gemacht mit diesem Satz. Dazu drei Beispiele:
(Rede am 8. Mai 2005 im Rathaus Nienburg/Weser)
Liebe Nienburger Bürgerinnen und Bürger!
Wie oft sind diese drei einfachen Worte wohl heute vor sechzig Jahren in unserer Stadt gesagt worden - in Deutschland – in Europa? Wie oft sind sie von unseren Eltern und Großeltern geseufzt worden, geschrieen, gebetet, geweint, gestöhnt? Diese drei klaren Worte: Nie wieder Krieg!
Heute, zum Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges haben wir uns hier versammelt und müssen Antwort auf zwei Fragen geben:
Erstens:
Was haben wir aus diesen drei Worten gemacht in den vergangenen 60 Jahren?
Und zweitens:
Welche Lehren ziehen wir aus diesen drei Worten für die Zukunft?
Erstens:
Was haben wir aus diesen drei Worten gemacht seit 1945?
Wir haben in entscheidenden Bereichen ernst gemacht mit diesem Satz. Dazu drei Beispiele:
- Wir haben uns ausgesöhnt mit denen, die von unserem Volk generationenlang als „Erbfeinde“ verteufelt worden sind, insbesondere mit Franzosen und Polen.
- Wir haben verlässliche friedliche Grenzen mit den Ländern, die unser Volk vor mehr als sechzig Jahren überfallen hat: mit Tschechien, Dänemark, den Niederlanden und anderen Ländern.
- Wir geben so viel Geld für die Ausbildung in nicht-militärischer Konfliktbearbeitung aus wie nie jemals zuvor in der deutschen Geschichte.
Aber wir sind diesem Satz auch untreu geworden:
Welche Lehren ziehen wir aus diesen drei Worten für die Zukunft? Wie können wir die Friedens-Bilanz unseres Landes in der Zukunft verbessern?
Als Perspektive für die Antwort auf diese zweite Frage zitiere ich einen Satz aus der Präambel der UNESCO, wo es heisst: (Zitat)
„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden"
Mein Beruf führt mich seit vielen Jahren immer wieder zu den aktuellen Konfliktbrennpunkte dieser Welt, in den Kosovo, nach Südafrika, in die Ukraine, nach Bosnien. Und ich kann Ihnen bestätigen: Die UNESCO hat recht! Kriege entstehen nicht durch Waffen. Kriege werden von Menschen gemacht, durch unser Denken, unsere Planungen, unsereEntscheidungen.
Wer ernst machen will, „Den Frieden im Geist der Menschen zu verankern“ – muß deshalb dreierlei tun:
Erstens: Aggressionen überwinden
Zweitens: Den Frieden vorbereiten
Drittens: Der Gewalt widerstehen
Erstens:
Frieden bedeutet: Aggressionen überwinden
Kriege sind kollektive Aggressionen. Kriege werden geführt,
Das gilt besonders für die Gebiete Europas, in denen kein Volk für sich alleine in einem Staatsterritorium wohnt. Wir denken dabei zunächst vor allem an Südosteuropa, wo überall verschiedene Völker in einer Staatsgrenze zusammengefasst leben müssen.
Aber auch andere Staaten Europas nähern sich dieser Situation in Südosteuropa immer mehr an. Auch in England, Frankreich und Deutschland ist die multikulturelle Gesellschaft schon längst Wirklichkeit geworden. Ähnlich im Baltikum: Jeder Dritte der in Estland und Lettland lebenden Bevölkerung ist Russe!
Nun hat man immer wieder versucht, das Dilemma der mangelnden Übereinstimmung von Staatsvolk und Staatsterritorium angeblich so „lösen“ zu wollen, dass man für eine möglichst weitgehende „Reinheit“ im Staatsvolk plädiert hat. Aber all diese Träume von Groß-Serbien, Groß-Albanien, Groß-Sonstwie sind gescheitert oder sie werden scheitern. Die Absicht, ethnisch reine Staaten zu schaffen ist eine Fiktion, und wer einer Fiktion nachjagt, wird enttäuscht werden, im schlimmsten Fall wird er intolerant und fanatisch.
Statt in gefährlicher Weise auf neue Grenzziehungen zugunsten ethnisch reiner Staaten zu spekulieren, ist es viel wichtiger, die gesellschaftlichen und politischen Realitäten multi-ethnischer Staaten anzuerkennen und Bedingungen zu schaffen, damit ethnische Minderheiten in einem Staatsgebiet angemessen toleriert werden. Das heißt, dass ihnen die Freiheiten garantiert werden, die sie für ihre kulturelle, sprachliche, erzieherische und religiöse Identität benötigen und dass ihnen eine angemessene Beteiligung an der politischen Willensbildung eingeräumt wird.
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts feierte man in Mitteleuropa die historische Errungenschaft stabiler Grenzen als einen besonderen Beitrag zum Frieden. Die Herausforderung für die Staaten und Gesellschaften im Europa des 21. Jahrhunderts wird es sein, diese äußeren Grenzziehungen auch weiterhin stabil zu halten, aber auch die Gesellschaften und Politik in diesen Grenzen offen, tolerant und mit Respekt vor Minderheiten zu gestalten.
Frieden bedeutet: Den Frieden vorbereiten
Angesicht der vielen Kriege in der Vergangenheit und Gegenwart, fragt man sich: Warum? Warum verrennen sich die Politiker und Politikerinnen immer wieder in die Sackgassen der Gewalt?
Unter den vielen Gründen für die Eskalation zum Krieg gibt es zwei besonders fatale:
Der erste Grund = Naivität:
Oft rechnen weder die Politiker noch die Bevölkerung in der Zeit der Konflikt-Eskalation mit dem Schlimmsten, mit dem Krieg; sie erkennen nicht die Gefährlichkeit der Situation.
Der zweite Grund = Verblendung:
Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es den gefährlichen Punkt, ab dem keiner der Gegner ernsthaft mehr bereit ist, der sich anbahnenden Katastrophe in den Arm zu fallen. Alternativen zum Verhängnis des Krieges werden als unrealistisch abgetan, ohne sich die Mühe zu machen, ihnen eine Chance zu geben. Zug um Zug erhöhen die Gegner ihre Forderungen, bis schließlich nur noch der Zwang von "Ultimaten" den Weg ins Unheil diktiert. Gelähmt, ohnmächtig blickt man auf jede neue Runde der Droh-Eskalation, unfähig wirkliche Alternativenzu entwickeln.
Alle Untersuchungen über Konflikte weisen aber darauf hin, wie wichtig es ist, sich niemals den Blick für Alternativen zum Krieg zu verstellen. Sich energisch zu wehren:
In Konflikten kommt es nicht darauf an, möglichst schnell Entscheidungen zu treffen (die sich dann später meist doch als verhängnisvoll erweisen). Damit verengt man leichtfertig die Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten.
Nötig ist stattdessen:
Ein echtes Bemühen um den Frieden ist jederzeit offen für neue Lösungsideen und für Konflikt-Entspannung.
Aus der Friedensforschung kennen wir:
"Das haben wir nicht gewusst",
„Es gibt keine Alternativen zum Krieg"
„Für Verhandlungen ist keine Zeit mehr“;
„In Konflikten hilft nur Gewalt“.
Glauben Sie diesen gefährlichen Vereinfachern nicht!
Bemühen wir uns stattdessen mit Geduld, Fantasie und Zähigkeit, herauszufinden, wo - trotz der Gegensätze - dennoch gemeinsame Interesse vorhanden sind. Solche gemeinsame Interessen können als vertrauensbildende Elemente dienen und später in eine stabile Konfliktlösung überführt werden. Das Ziel jeder Konfliktregelung ist es, aus der Krise in eine Situation hinein zu steuern, bei der es keine einseitigen Gewinner und Verlierer gibt und kein Gesichtsverlust für die Beteiligten.
Drittens:
Frieden bedeutet: Der Gewalt widerstehen.
In der Geschichte der Menschheit hat es immer wieder Personen gegeben, die der Versuchung der Gewalt widerstanden haben. Wir denken an Gandhi und M.L. King, an die Leipziger Montagsdemonstrationen 1989 und an die friedlichen Revolutionen kürzlich in Georgien und in der Ukraine. Aber es gibt auch viele namenlose Friedenarbeiterinnen und Friedenarbeiter, die mit bemerkenswertem Mut und Zähigkeit immer wieder Zeichen zur Gewaltüberwindung setzen.
Es sind Menschen, die klare deutliche Zeichen gegen die Anwendung von Gewalt setzen und die von der Vision einer friedlicheren Welt überzeugt sind. Keine Schwärmer oder irreale Idealisten, sondern sehr konkret denkende und praktisch handelnde Menschen, die der Gewalt widerstehen, meist gegen die herrschende Meinung und gegen die Machthaber - ohne Rücksicht darauf, ob dieses Engagement sie in persönliche Gefahr bringt.
Ein solches Nein zur Gewalt ist aber keine Selbstverständlichkeit. Das zeigen die Jahre 1933 bis 1945 in der deutschen Geschichte, wo eigentlich Widerstand notwendig gewesen wäre, in denen Deutschland aber versagt hat.
Wenn wir uns heute mit Menschen unterhalten, die sich noch bewusst an die 30er Jahre in Deutschland erinnern können, ist das Beeindruckende, dass es neben den aktiven Nationalsozialisten leider auch viele, viele Menschen in dieser Zeit gab, die gar nicht aktiv waren, sondern anpasserisch, die weggeschaut und keine Fantasie entwickelt haben, was man gegen das Unheil machen könne. Viele haben einfach nicht wahrhaben wollen, dass die Zustände in Deutschland so schlimm werden würden, wie sie es dann Jahr um Jahr wurden.
Daraus sollen wir lernen, dass Wachsamkeit und - falls nötig - auch aktiver Widerstand nicht von selber kommt, sondern eingeübt und trainiert werden muß. Das gilt nicht nur für den Widerstand gegen einen illegalen Staatstreich. Widerstand ist auch notwendig gegen Gewalt in der Straßenbahn, gegen Angriffe auf Ausländer, gegen intolerante Berichterstattung in den Medien, gegen heimliche Umweltzerstörungen.
Es gibt viele Situationen, wo der Mut zum Nein gefordert ist. Ein solcher Widerstand stellt sich aber nicht automatisch ein, er muß schon frühzeitig vorbereitet werden. Deshalb ist es hoffnungsvoll, dass es inzwischen richtige Kurse gibt, in denen solches Widerstehen gegen die Gewalt trainiert wird, wo man sich z.B. durch Rollenspiele auf verschiedene Situationen des gewaltfreien Widerstands vorbereiten kann.
Solcher Widerstand braucht keine grosse einzelne Helden, sondern Menschen mit Zivilcourage. Er braucht
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Sich für den Frieden zu engagieren, ist eine höchst praktische Sache, und deshalb lade ich Sie zum Abschluß meiner Ausführungen zu folgendem praktischen Schritt ein:
Wenn Sie heute Nachmittag wieder zu Hause sind, dann können Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie nicht vielleicht eine Stunde in der Woche etwas praktisch für den Frieden in unserer Stadt tun können. Eine Stunde, das ist weniger als ein Prozent einer Kalenderwoche. Es gibt gute Gelegenheiten dafür: amnesty international, die Nienburger Tafel, der Eine Welt Laden.
Aber auch neue Ideen sind denkbar: Ich wünsche mir z.B. die Gründung einer neuen „Lokalen Friedensagentur“, wo Menschen unserer Stadt sich über Ausbildungen und Einsatzmöglichkeiten für Friedensarbeit, kreative Konfliktlösungen und Gewaltüberwindung informieren können, wo sie von Fachleuten beraten werden wie ein solcher Einsatz erfolgen kann und später von Nienburger Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Engagement unterstützt werden.
Ich lade Sie also ein zu diesem kleinen Projekt „Eine Stunde pro Woche etwas für den Frieden in Nienburg tun“. Sie müssen ausser den 60 Minuten nur etwas Engagement und Geduld mitbringen. Natürlich wird es auch Probleme geben, Enttäuschungen. Aber alles in allem werden Sie durch einen solchen kleinen Einsatz das schöne Erlebnis bekommen, etwas Pessimismus abbauen zu können.
Denn Sie widerstehen damit jenem lähmenden Pessimismus, der uns immer wieder einflüstern will:
Wehren wir uns gegen diese negativen Einflüsterungen. Geben wir den positiven Stimmen mehr Raum, in uns selber, aber auch in der Öffentlichkeit.
Und wenn Sie dieses kleine Experiment „Eine Stunde Friedensarbeit pro Woche in Nienburg“ eine Weile durchgehalten haben – vielleicht erzählen Sie einmal Ihrer Nachbarin / ihrem Nachbarn davon und laden sie ein, auch mitzumachen. Genau das sind die berühmten „kleinen Schritte“ der Veränderung, die so oft beschworen, aber leider oft so wenig begangen werden.
Liebe Bürgerinnen und Bürger. Nur wenige von uns, die sich heute hier versammelt haben, werden den 8. Mai 2045 erleben, an dem Nienburg an den 100. Jahrestag des Kriegsendes denken wird. Aber wenn wir in diesen 40 Jahren beharrlich weiterhin an der Verbesserung unserer Friedensbilanz arbeiten, dann ist das Vermächtnis des 6. Mai 1945 nicht ungehört verhallt:
Nie wieder Krieg!
- 60 Jahre nach dem 2. Weltkrieg sind fast 25.000 deutsche Soldaten ausserhalb Deutschlands stationiert. Ein Drittel der gesamten Bundeswehr (inklusive Ausbildung und Logistik) ist an deutschen Auslandseinsätzen beteiligt. Ja, wir haben sogar junge deutsche Frauen und Männer wieder in Kriege geschickt. Eine Politik, die im Jahr 1945 für unser Land undenkbar gewesen war.
- Zweitens: Jahr für Jahr liefert Deutschland immer mehr Waffen in alle Welt. Die sicherlich nicht einseitig urteilende „Süddeutsche Zeitung“ formulierte es kürzlich sogar so,daß (Zitat) die „deutschen Rüstungsgeschäfte explodieren“! Von deutschen Firmen produziert und von deutschen Regierungen genehmigt, tragen also deutsche Waffen international dazu bei, daß Kriege geführt und Menschen blutig unterdrückt werden.
- Drittens: Wir haben inzwischen ein vor dreißig, vierzig Jahren noch unvorstellbares Ausmaß an Gewaltdarstellung, ja sogar Gewaltverherrlichung in allen Fernsehkanälen, auf den Computerbildschirmen und in den Spielzeugläden.
Welche Lehren ziehen wir aus diesen drei Worten für die Zukunft? Wie können wir die Friedens-Bilanz unseres Landes in der Zukunft verbessern?
Als Perspektive für die Antwort auf diese zweite Frage zitiere ich einen Satz aus der Präambel der UNESCO, wo es heisst: (Zitat)
„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden"
Mein Beruf führt mich seit vielen Jahren immer wieder zu den aktuellen Konfliktbrennpunkte dieser Welt, in den Kosovo, nach Südafrika, in die Ukraine, nach Bosnien. Und ich kann Ihnen bestätigen: Die UNESCO hat recht! Kriege entstehen nicht durch Waffen. Kriege werden von Menschen gemacht, durch unser Denken, unsere Planungen, unsereEntscheidungen.
Wer ernst machen will, „Den Frieden im Geist der Menschen zu verankern“ – muß deshalb dreierlei tun:
Erstens: Aggressionen überwinden
Zweitens: Den Frieden vorbereiten
Drittens: Der Gewalt widerstehen
Erstens:
Frieden bedeutet: Aggressionen überwinden
Kriege sind kollektive Aggressionen. Kriege werden geführt,
- weil Menschen andere Menschen nicht tolerieren wollen,
- weil Menschen andere Menschen beherrschen wollen,
- weil Menschen mehr Reichtum haben wollen als andere Menschen.
Das gilt besonders für die Gebiete Europas, in denen kein Volk für sich alleine in einem Staatsterritorium wohnt. Wir denken dabei zunächst vor allem an Südosteuropa, wo überall verschiedene Völker in einer Staatsgrenze zusammengefasst leben müssen.
Aber auch andere Staaten Europas nähern sich dieser Situation in Südosteuropa immer mehr an. Auch in England, Frankreich und Deutschland ist die multikulturelle Gesellschaft schon längst Wirklichkeit geworden. Ähnlich im Baltikum: Jeder Dritte der in Estland und Lettland lebenden Bevölkerung ist Russe!
Nun hat man immer wieder versucht, das Dilemma der mangelnden Übereinstimmung von Staatsvolk und Staatsterritorium angeblich so „lösen“ zu wollen, dass man für eine möglichst weitgehende „Reinheit“ im Staatsvolk plädiert hat. Aber all diese Träume von Groß-Serbien, Groß-Albanien, Groß-Sonstwie sind gescheitert oder sie werden scheitern. Die Absicht, ethnisch reine Staaten zu schaffen ist eine Fiktion, und wer einer Fiktion nachjagt, wird enttäuscht werden, im schlimmsten Fall wird er intolerant und fanatisch.
Statt in gefährlicher Weise auf neue Grenzziehungen zugunsten ethnisch reiner Staaten zu spekulieren, ist es viel wichtiger, die gesellschaftlichen und politischen Realitäten multi-ethnischer Staaten anzuerkennen und Bedingungen zu schaffen, damit ethnische Minderheiten in einem Staatsgebiet angemessen toleriert werden. Das heißt, dass ihnen die Freiheiten garantiert werden, die sie für ihre kulturelle, sprachliche, erzieherische und religiöse Identität benötigen und dass ihnen eine angemessene Beteiligung an der politischen Willensbildung eingeräumt wird.
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts feierte man in Mitteleuropa die historische Errungenschaft stabiler Grenzen als einen besonderen Beitrag zum Frieden. Die Herausforderung für die Staaten und Gesellschaften im Europa des 21. Jahrhunderts wird es sein, diese äußeren Grenzziehungen auch weiterhin stabil zu halten, aber auch die Gesellschaften und Politik in diesen Grenzen offen, tolerant und mit Respekt vor Minderheiten zu gestalten.
Frieden bedeutet: Den Frieden vorbereiten
Angesicht der vielen Kriege in der Vergangenheit und Gegenwart, fragt man sich: Warum? Warum verrennen sich die Politiker und Politikerinnen immer wieder in die Sackgassen der Gewalt?
Unter den vielen Gründen für die Eskalation zum Krieg gibt es zwei besonders fatale:
Der erste Grund = Naivität:
Oft rechnen weder die Politiker noch die Bevölkerung in der Zeit der Konflikt-Eskalation mit dem Schlimmsten, mit dem Krieg; sie erkennen nicht die Gefährlichkeit der Situation.
Der zweite Grund = Verblendung:
Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es den gefährlichen Punkt, ab dem keiner der Gegner ernsthaft mehr bereit ist, der sich anbahnenden Katastrophe in den Arm zu fallen. Alternativen zum Verhängnis des Krieges werden als unrealistisch abgetan, ohne sich die Mühe zu machen, ihnen eine Chance zu geben. Zug um Zug erhöhen die Gegner ihre Forderungen, bis schließlich nur noch der Zwang von "Ultimaten" den Weg ins Unheil diktiert. Gelähmt, ohnmächtig blickt man auf jede neue Runde der Droh-Eskalation, unfähig wirkliche Alternativenzu entwickeln.
Alle Untersuchungen über Konflikte weisen aber darauf hin, wie wichtig es ist, sich niemals den Blick für Alternativen zum Krieg zu verstellen. Sich energisch zu wehren:
- gegen die übliche Drohrhetorik,
- gegen den immer wieder beschworenen angeblichen „Zeitdruck“ und
- gegen die sogenannten "Sachzwänge".
In Konflikten kommt es nicht darauf an, möglichst schnell Entscheidungen zu treffen (die sich dann später meist doch als verhängnisvoll erweisen). Damit verengt man leichtfertig die Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten.
Nötig ist stattdessen:
- Immer wieder innezuhalten
- Bereit sein, Pläne wieder zu revidieren
- Sich nicht dem sogenannten "Druck der Verhältnisse" zu beugen
Ein echtes Bemühen um den Frieden ist jederzeit offen für neue Lösungsideen und für Konflikt-Entspannung.
Aus der Friedensforschung kennen wir:
- die Gefahren der Eskalation,
- die Illusionen von Drohpolitik und
- die schlimme Saat der Gewaltverherrlichung in den Medien.
"Das haben wir nicht gewusst",
„Es gibt keine Alternativen zum Krieg"
„Für Verhandlungen ist keine Zeit mehr“;
„In Konflikten hilft nur Gewalt“.
Glauben Sie diesen gefährlichen Vereinfachern nicht!
Bemühen wir uns stattdessen mit Geduld, Fantasie und Zähigkeit, herauszufinden, wo - trotz der Gegensätze - dennoch gemeinsame Interesse vorhanden sind. Solche gemeinsame Interessen können als vertrauensbildende Elemente dienen und später in eine stabile Konfliktlösung überführt werden. Das Ziel jeder Konfliktregelung ist es, aus der Krise in eine Situation hinein zu steuern, bei der es keine einseitigen Gewinner und Verlierer gibt und kein Gesichtsverlust für die Beteiligten.
Drittens:
Frieden bedeutet: Der Gewalt widerstehen.
In der Geschichte der Menschheit hat es immer wieder Personen gegeben, die der Versuchung der Gewalt widerstanden haben. Wir denken an Gandhi und M.L. King, an die Leipziger Montagsdemonstrationen 1989 und an die friedlichen Revolutionen kürzlich in Georgien und in der Ukraine. Aber es gibt auch viele namenlose Friedenarbeiterinnen und Friedenarbeiter, die mit bemerkenswertem Mut und Zähigkeit immer wieder Zeichen zur Gewaltüberwindung setzen.
Es sind Menschen, die klare deutliche Zeichen gegen die Anwendung von Gewalt setzen und die von der Vision einer friedlicheren Welt überzeugt sind. Keine Schwärmer oder irreale Idealisten, sondern sehr konkret denkende und praktisch handelnde Menschen, die der Gewalt widerstehen, meist gegen die herrschende Meinung und gegen die Machthaber - ohne Rücksicht darauf, ob dieses Engagement sie in persönliche Gefahr bringt.
Ein solches Nein zur Gewalt ist aber keine Selbstverständlichkeit. Das zeigen die Jahre 1933 bis 1945 in der deutschen Geschichte, wo eigentlich Widerstand notwendig gewesen wäre, in denen Deutschland aber versagt hat.
Wenn wir uns heute mit Menschen unterhalten, die sich noch bewusst an die 30er Jahre in Deutschland erinnern können, ist das Beeindruckende, dass es neben den aktiven Nationalsozialisten leider auch viele, viele Menschen in dieser Zeit gab, die gar nicht aktiv waren, sondern anpasserisch, die weggeschaut und keine Fantasie entwickelt haben, was man gegen das Unheil machen könne. Viele haben einfach nicht wahrhaben wollen, dass die Zustände in Deutschland so schlimm werden würden, wie sie es dann Jahr um Jahr wurden.
Daraus sollen wir lernen, dass Wachsamkeit und - falls nötig - auch aktiver Widerstand nicht von selber kommt, sondern eingeübt und trainiert werden muß. Das gilt nicht nur für den Widerstand gegen einen illegalen Staatstreich. Widerstand ist auch notwendig gegen Gewalt in der Straßenbahn, gegen Angriffe auf Ausländer, gegen intolerante Berichterstattung in den Medien, gegen heimliche Umweltzerstörungen.
Es gibt viele Situationen, wo der Mut zum Nein gefordert ist. Ein solcher Widerstand stellt sich aber nicht automatisch ein, er muß schon frühzeitig vorbereitet werden. Deshalb ist es hoffnungsvoll, dass es inzwischen richtige Kurse gibt, in denen solches Widerstehen gegen die Gewalt trainiert wird, wo man sich z.B. durch Rollenspiele auf verschiedene Situationen des gewaltfreien Widerstands vorbereiten kann.
Solcher Widerstand braucht keine grosse einzelne Helden, sondern Menschen mit Zivilcourage. Er braucht
- Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Schülerinnen und Schüler über Kriegsursachen und Kriegsfolgen realistisch aufklären
- Er braucht Journalistinnen und Journalisten, die Kriege auch „Kriege“ nennen und nicht „militärische Operationen“ und die Kriegstote nicht als „Kollateralschaden“ abqualifzieren und er braucht
- Bürger und Bürgerinnen, die bei Überfällen gegen alte Leute oder Ausländer nicht wegschauen, sondern hinsehen und sich einmischen.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Sich für den Frieden zu engagieren, ist eine höchst praktische Sache, und deshalb lade ich Sie zum Abschluß meiner Ausführungen zu folgendem praktischen Schritt ein:
Wenn Sie heute Nachmittag wieder zu Hause sind, dann können Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie nicht vielleicht eine Stunde in der Woche etwas praktisch für den Frieden in unserer Stadt tun können. Eine Stunde, das ist weniger als ein Prozent einer Kalenderwoche. Es gibt gute Gelegenheiten dafür: amnesty international, die Nienburger Tafel, der Eine Welt Laden.
Aber auch neue Ideen sind denkbar: Ich wünsche mir z.B. die Gründung einer neuen „Lokalen Friedensagentur“, wo Menschen unserer Stadt sich über Ausbildungen und Einsatzmöglichkeiten für Friedensarbeit, kreative Konfliktlösungen und Gewaltüberwindung informieren können, wo sie von Fachleuten beraten werden wie ein solcher Einsatz erfolgen kann und später von Nienburger Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Engagement unterstützt werden.
Ich lade Sie also ein zu diesem kleinen Projekt „Eine Stunde pro Woche etwas für den Frieden in Nienburg tun“. Sie müssen ausser den 60 Minuten nur etwas Engagement und Geduld mitbringen. Natürlich wird es auch Probleme geben, Enttäuschungen. Aber alles in allem werden Sie durch einen solchen kleinen Einsatz das schöne Erlebnis bekommen, etwas Pessimismus abbauen zu können.
Denn Sie widerstehen damit jenem lähmenden Pessimismus, der uns immer wieder einflüstern will:
- Kriege hat es immer gegeben
- Als Einzelner kannst du ja doch nichts machen
- In Konflikten hilft eben doch nur Gewalt
Wehren wir uns gegen diese negativen Einflüsterungen. Geben wir den positiven Stimmen mehr Raum, in uns selber, aber auch in der Öffentlichkeit.
Und wenn Sie dieses kleine Experiment „Eine Stunde Friedensarbeit pro Woche in Nienburg“ eine Weile durchgehalten haben – vielleicht erzählen Sie einmal Ihrer Nachbarin / ihrem Nachbarn davon und laden sie ein, auch mitzumachen. Genau das sind die berühmten „kleinen Schritte“ der Veränderung, die so oft beschworen, aber leider oft so wenig begangen werden.
Nie wieder Krieg!