Die Debatte vorantreiben
Für den 18. und 19. Oktober kündigt das Wochenblatt "Die Zeit" eine Konferenz zum Thema "Internationale Sicherheitspolitik" in Hamburg an. Die Veranstaltung soll in den Räumlichkeiten des Grand Elysee-Hotels und der Bundeswehr-Universität stattfinden; geladen sind den Organisatoren zufolge "führende Persönlichkeiten" aus Politik, Militär, Wissenschaft, Klerus und Rüstungsindustrie, darunter auch der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Wie Guttenberg ausführt, soll die Konferenz insbesondere zur Klärung der Frage beitragen, "wie die öffentliche Debatte über Ziele und Interessen deutscher Sicherheitspolitik vorangebracht werden kann". Ähnlich äußert sich auch "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe; seiner Auffassung nach bedarf es massenwirksamer Begründungen zur Legitimation von "Kampfeinsätze(n) fern vom eigenen Land".[1]
Orientierungsmedium
Nach Angaben der "Zeit", die sich selbst als maßgebliches "Orientierungsmedium" bezeichnet, werden die Konferenzteilnehmer insbesondere die Transformation der Bundeswehr zur weltweit agierenden "Einsatzarmee" diskutieren. Zum Thema referieren sollen unter anderem Friedrich Lürßen, Chef der Bremer Lürssen-Werft und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Ulrich Schlie, Leiter des Planungsstabs des Bundesverteidigungsministeriums und Rudolf Scharping (SPD), der sich in seiner Funktion als deutscher Verteidigungsminister während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 mit massiver Gräuelpropaganda hervorgetan hat. Führende deutsche Rüstungskonzerne unterstützen die Durchführung der Konferenz finanziell und logistisch, unter ihnen EADS, Krauss-Maffei Wegmann und ThyssenKrupp. Die Deutsche Bahn AG firmiert als "Mobilitätspartner" der Veranstaltungsbesucher, die Eintrittspreise in Höhe von mehr als 1.300 Euro zu entrichten haben.[2]
Die Zukunft des Krieges
Erst unlängst hat die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" eine in Bezug auf inhaltliche Ausrichtung und personelle Beteiligung ähnliche Konferenz in Berlin abgehalten. Zu den Sponsoren der Veranstaltung zählten neben dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie die Waffenschmieden Thales, Rhode und Schwarz, ESG, MBDA, Krauss-Maffei Wegmann und EADS/Eurocopter. Zentrale Themen waren auch hier der Umbau der Bundeswehr zur weltweit agierenden "Einsatzarmee" und die "Zukunft des Krieges" ("Future of War"). Als Referenten geladen waren hochrangige Militärs, Politiker und Rüstungsindustrielle, unter ihnen auch der Leiter der "Gruppe 22" im Bundeskanzleramt, Brigadegeneral Erich Vad.[3] Vad, der Kontakte zur extremen Rechten unterhalten hat und durch positive Bezüge auf den NS-Juristen Carl Schmitt aufgefallen ist [4], sprach über das Konzept der "vernetzten Sicherheit" - die Einbindung der Außen- und Entwicklungspolitik in die Kriegführung nebst der verfassungswidrigen Verschmelzung von Militär, Geheimdiensten und Repressionsbehörden.
Überfordert
Ausführlich zu Wort kam auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker. Analog zur jetzt angekündigten militärpolitischen Konferenz des Wochenblattes "Die Zeit" forderte Wieker, die Bundeswehr gegen "unberechtigte Kritik" in Schutz zu nehmen. Der General spielte damit nicht zuletzt auf die von NATO-Truppen in Afghanistan begangenen Massaker an Unbeteiligten an - er charakterisierte die dortigen Aufständischen als einen Gegner, der "sich zum eigenen Schutz mit unterdrückter Zivilbevölkerung umgibt". Gleichzeitig verwies Wieker auf die seiner Ansicht nach gravierenden Probleme beim Umbau der Bundeswehr zur weltweit agierenden Interventions- und Besatzungsarmee; die entsprechende Transformation habe die Streitkräfte "überfordert", erklärte der General.[5] Von der Rüstungsindustrie forderte Wieker in diesem Zusammenhang "Ausrüstungsstrategien, die die Bedarfe rascher und besser befriedigen", zumal der Feind "moderne Technik" schneller nutze, "als wir darauf reagieren können". Die anwesenden Waffenproduzenten verlangten ihrerseits einen "kontinuierliche(n) und offene(n) Dialog zwischen Politik, Administration und Industrie" mit dem Ziel der "Optimierung der bestehenden Beschaffungsverfahren" und der "aktive(n) Gestaltung der Exportförderung".[6]
Nicht willkommen
Während die "Handelsblatt"-Tagung abgesehen von diesen internen Auseinandersetzungen störungsfrei verlief, mobilisieren Hamburger Kriegsgegner zu Protesten gegen die angekündigte Konferenz der "Zeit". Wie einem Demonstrationsaufruf zu entnehmen ist, wolle man den anreisenden "Kriegsprofiteuren und -propagandisten" zeigen, "dass sie nicht willkommen sind", und sie "gebührend empfangen".[7]