Dienstag
PIGS-Pleiten - kein Land in Sicht
Das angebliche "Rettungs"paket für Irland ist an den Finanzmärkten wirkungslos verpufft. Stattdessen fürchten die Investoren, dass die Schuldenkrise bald auf Portugal und Spanien übergreift. Auch der US-Ökonom Roubini rechnet damit, dass Portugal als nächstes auf EU-Kosten saniert werden muß.
Und der Europa-Chefvolkswirt der Royal Bank of Scotland prognostiziert, dass die Krise bestimmt nicht mit Portugal aufhört, sondern dann auch Spanien erreicht. Und jenseits vom potenziellen Krisenland Spanien werden schon verdächtig häufig noch weitere Staaten (Belgien, Italien, inzwischen neuerdings sogar Frankreich!) genannt.
Gestern kletterten die Kosten für die Absicherung portugiesischer und spanischer Staatsanleihen gegen einen Zahlungsausfall dieser Staaten auf eine ungeahntes Rekordniveau. Ausserdem trennen sich die Anleger von Bankaktien aus Spanien und (!): Frankreich.
Wer die Zeichen der Zeit lesen kann, weiß wohin die Reise geht.
(Referenz: Artikel von Doris Grass und Mark Schrörs in der heutigen FTDk)
Wikileaks für Schnell-LeserInnen
Den besten Überblick über die informationellen "Filetstücke" unter den dankenswerterweise durch Wikileaks enttarnten Dokumente gibt die heutige FTD auf Seite 11:
Der neue Südeuropa-PIGS-Weicheuro schon im Umlauf? Blick auf einen Prototyp
Aus sicher ganz voreiligen Gerüchten höre ich, dass in den Münzprägefirmen schon der neue Südeuropa-PIIGS-Euro designiert wird.
Demnach wird die Akzeptanz des abgesplitterten Weich-Euros bestimmt nicht am ästhetischen Niveau scheitern.
Hier die Blaupause:
Über den Trümmern der Akropolis reitet eine schön drapierte irische Harfe auf einem spanischen Stier. Das ganze hübsch umrahmt von einem Reigen griechischer Oliven.
Wow, MünzensammlerInnen aufgepasst. Da kommt eine neue Seite in eurem Katalog auf euch zu.
"Endgame" Is it Beckett? No it is the Euro!
Wieder das übliche Muster. Die EU macht ein Abkommen und die Märkte geraten in Panik. Diesmal dauerte das Schauspiel nur paar Stunden. Die EU-Glaubwürdigkeit sinkt von Tag zu Tag. Bankrott-Anzeichen überall. Die Renditen für spanische Staatsanleihen stiegen gestern erneut und sogar auch die für italienische Anleihen. Dass Griechenland, Irland und Portugal faktisch bankrott sind, ist für die unter Finanzanalysten schon gar keine Frage mehr. Eher fragen sie sich, wie lange Spanien noch seinen Bankrott vermeiden kann. Die Aussichten sind düster: Mit jeder Stunde, wo die Zinssätze steigen, verschlechtert sich auch für Spanien die Situation. Und ausserdem nehmen die Märkte nun auch schon Italien und Belgien in ihr Visier. Hier die Fakten: Irlands Zinssätze werden unter dem EFSF im Durchschnitt rund 6% betragen, viel zu hoch um nachhaltig zu bleiben. Da die Wachstumsrate von Irland auf Jahre hinaus bedeutend unterhalb dieser Ziffer liegen wird, kann man sich die Explosion der irischen Schulden ausmalen. Für die Märkte ist somit klar, dass Irland bankrott ist. Irland geht genau den Weg wie vor ihm Griechenland und hinter ihm treten schon Portugal und Spanien in die gleichen Fußstapfen. Daneben lügen sich die PIGS immer noch in die Tasche, indem sie ihre Sanierungsprogramme mit völlig unrealistischen Wachstumsraten als "realistisch" umlügen. Die internationale Wirtschaftspresse geht nun immer einhelliger davon aus, dass das Ende des Euro kommen wird. Nobelpreisträger Paul Krugmann macht das an den viel zu hohen Kreditzinsen für Irland deutlich. Und wie geht es dann weiter? Noch mehr Kredite? Noch mehr Kredite! Krugmann illustriert es mit folgendem Dialog: "Irland kann seine Schulden nicht mehr zurückzahlen.""Ach was, hier ist ein neuer Kredit!""Nein, Irland kann seine Kredite wirklich nicht mehr zurückzahlen.""Ach was, hier ist ein neuer Kredit!" Peter Boone and Simon Johnson entwerfen vier Szenarien für den letzten Akt des Euro-Dramas - durchaus im Ausmaß eines von Becketts Endgame: Szenario Eins: Alles bleibt so wie es ist; Deutschland saniert alle PIIGS. Szenario Zwei: Alles geht so weiter, bis es kracht. Dann muss Griechenland die Eurozone verlassen. Szenario Drei: Nach dem Bankrott Griechenlands und Irlands gehen in naher Zukunft noch weitere PIIGS bankrott. Szenario Vier: Die Eurozone zerfällt in einen Nord- und einen Süd-Euro. (Referenz: Die internationale Wirtschafts- und Finanzpresse) |
Europa: Ground Zero
Angesichts der nicht zu stoppenden Pleitenserie der PIGS wird in der politischen Öffentlichkeit immer offener über das Ende des Euro und die Szenarien für einen Ausstieg aus dieser fehlkonstruierten Währung diskutiert.
Die Regierungen in Paris und Berlin müssen nun einsehen, dass ihr Mantra "Euro auf ewig - koste er was er wolle" den steuerzahlenden und damit letztlich dafür einstehenden BürgerInnen nicht mehr zu vermitteln ist. German-Foreign-Policy.Com bringt es in seiner heutigen Analyse die Sachen auf den Punkt.
Da eine einheitliche EU-Wirtschaftspolitik angesichts des hohen Tempos, in dem die PIGS in ihre Pleiten rennen, nicht mehr helfen wird, wird nun - was bis vor kurzem noch das absolute Tabu war - ganz offen über die Rückkehr zu zu nationalen Währungen oder eine Aufteilung in einen starken Nord-Euro und einen schwachen Süd-Euro diskutiert. Auch der komplette Ausschluß der PIGS ist zum realen politischen Thema in Bruxelles geworden.
Da das Thema in der Öffentlichkeit - zu Recht - gesellschaftspsychologisch immer höher besetzt wird, können die spin doctors in den europäischen Hauptstädten erfreulicherweise ihre appeasement-Politik auch nicht mehr weiter treiben.
Flankiert wird das von den massiv negativen Prognosen namhafter WirtschaftsanalytikerInnen. So weisen sie z.B. darauf hin, dass auch das bisher immer noch als "Too big to fail" klassifizierte Spanien, finanziell weit maroder ist, als es uns die PolitikerInnen in Madrid und ihre Bundesgenossen in Bruxelles und Berlin glaubhaft machen wollen.
Und für den nicht mehr auszuschliessenden Bankrott Spaniens wäre auch kein "Rettungs"paket mehr groß genug, abgesehen davon, dass das Verbrennen von über einer Billion Euro (das wäre die
aufgestockte Summe des EFSF nach den aberwitzigen Fantasien unseres nicht mehr durchblickenden Notenbankpräsidenten) sicher nicht mehr der deutschen Bevölkerung vermittelbar.
Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Professor Dirk Meyer enthüllt dazu flankierend die Illusionen der griechischen Selbstsanierungsmaßnahmen. Eine Kürzung von jährlich
30 Milliarden im griechischen Etat ist völlig abwegig, ganz abgesehen von den Widerständen in der Öffentlichkeit. Ein Drittel der griechischen Sparmaßnahmen demaskiert Meyer glatt als "Luftbuchungen".
Inzwischen können die Regierungen in Athen und Dublin auch nicht mehr den massiven Protest der Bevölkerung gegen die Spardiktate, die Bruxelles als Folge des Mißmanagements ihrer Banken und PolitikerInnen ihren Staaten aufoktroyiert hat, ausser Acht lassen.
Wenn die Euro-Fanatiker so weiter machen, muss politisch-bedenklich nach den Streiks als nächste Eskalation in der WählerInnen-Verdrossenheit auch mit dem Zulauf zu neuen populistischen europafeindlichen Parteien gerechnet werden - alles nur, weil die Pro Euro-Entscheidungsträger zu feige sind, ihren Irrtum einer uniformen Währung für einen völlig diskonforme Wirtschaftsraum einzugestehen.
Wenn die Euro-Fanatiker so weiter machen, muss politisch-bedenklich nach den Streiks als nächste Eskalation in der WählerInnen-Verdrossenheit auch mit dem Zulauf zu neuen populistischen europafeindlichen Parteien gerechnet werden - alles nur, weil die Pro Euro-Entscheidungsträger zu feige sind, ihren Irrtum einer uniformen Währung für einen völlig diskonforme Wirtschaftsraum einzugestehen.
Wenn also die PolitikerInnen nicht endlich den Euro als ihren fundamentalen Irrtum einsehen und massiv in ein wirklich stabiles europäischen Wirtschaftssystem mit befreienden Staatsinsolvenzen und harten Bankkontrollen umsteuern, werden die Menschen bald massenhaft nicht nur in Lissabon und Madrid auf die Straße gehen, sondern auch in Berlin und Paris. Dann nämlich, wenn sie endlich merken, wie massiv die uneffektiven Sanierungsmaßnahmen für die PIGS ihnen ans eigene Portemanai und Sparbuch geht.
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