Dienstag

Pro-Euro-Beschwörungsformeln nützen nichts

Leserbrief zum Kommentar von Melvyn Krauss in der FTD vom 14.6.11, S. 24 (hier unten im Blogpost abgedruckt)

Kritik gegen das in Schieflage geratene Projekt Euro hat mit rechtem Populismus nichts zu tun. Dass Wahre Finnen, BILD-Zeitung, die Finanzminister der Niederlande und Österreichs und Hans-Werner Sinn nun eine so bemerkenswerte Allianz eingegangen sind, ist die Schuld derer, die Hellas´ Euro-Beitritt damals wider alle wirtschaftliche Vernunft durchgewunken haben, und die von uns SteuerzahlerInnen jetzt immer neue Hilfsgelder mit dem Mantra "wir müssen den Euro retten egal was es kostet" erpressen wollen. 

Und es ist die Schuld der griechischen Mißwirtschaft, wo fast wöchentlich neue Absurditäten ans Tageslicht treten. Von massiven Steuerbetrügereien, über gängig Korruption und Immobilien-Profitblasen bis zu den tausendfachen Rentenzahlungen an GriechInnen, die schon lange nicht mehr leben....Genau mit solchem griechischen Mißmanagement spielt man den Rechtspopulisten in die Hände, vor denen Krauss uns warnt. 

So wie der deutsche und die französische FinanzministerIn uns mit konstanter Regelmässigkeit zu neuen sog. "Rettungs"paketen zugunsten Griechenlands und der anderen PIGS kujonieren wollen, so meint Krauss uns mit einer lockeren Anleihe bei Sartres existentialistischer "Huis Clos" weismachen zu wollen, dass es angeblich keine Alternative zum Euro gäbe. Das klingt nach solider Thatcher-Policy, die auch jegliche Kritik mit ihrem dauernden schrillen TINA ("There Is No Alternative") im Keim ersticken wollte. 

Wache BürgerInnen und WählerInnen sollen besonders aufmerksam sein, wenn jemand wie Krauss von "Lebenszeit", "ohne Rückkehr", "es kann keinen Ausstieg geben" spricht. Solche Beschwörungsformeln verdecken meist, dass die rationale Begründungsdecke so dünn geraten ist, dass man zu solch apokalyptischen Drohungen greifen muss. 

Wieviel gutes nordeuropäisches Geld sollen wir denn nach Meinung von Kraus Griechenland noch zur Verfügung stellen, nachdem keines der bisherigen sog. "Hilfspakete" irgend einen Fortschritt generiert hat, stattdessen die Ratingagenturen Hellas immer mehr zurückstufen? Diese Blankoscheck-Strategie von Krauss zugunsten von Hellas ist zu Recht immer weniger WählerInnen in Amsterdam, Frankfurt, Helsinki und Lyon zu vermitteln. 

Hellas´ Probleme sind struktureller Art: Mit dem Euro ist es in einen Währungsverbund gekommen, dem es niemals hätte beitreten dürfen. Angesichts des minimalen bis Null-Wachstums seiner Wirtschaft wird es seine horrenden Schulden nie zurückzahlen können. Deshalb ist es angezeigt, diese Schulden nicht im Quartalstakt mit sog. "Rettungs"paketen (die effektiv gar nichts "retten", sondern die strukturellen hellenischen Defizite nur verlängern bzw. verschleiern) immer weiter zu erhöhen, sondern durch eine geordnete griechische Staatsinsolvenz Hellas wieder in eine ihm angemessene Situation zu befördern. 


Krauss soll sich mal bei den Politikern und Finanzfachleuten umhören, die beim Beitritt Griechenlands zum Euro mitgewirkt bzw. aufmerksam zugehört und zugesehen haben (manchmal auch - leider unbeachtet - gewarnt haben): Griechenland hat sich den den Zugang zu Euro-Land mit statistischen Lügen und getricksten Informationen über seinen Wirtschaftszustand erschwindelt. Kein Wunder, dass Issing und andere kein Vertrauen in Griechenland haben. Warum diskreditiert Krauss diese Fakten als "Verleumdung"? 

Und warum wehrt sich Krauss gegen das gute deutsche Sprichwort "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende"? Das überfällige Insolvenzverfahren für Hellas wird sicher nicht problemlos über die Bühne gehen, aber quasi regelmässig immer wieder neues gutes nordeuropäisches Geld in die PIGS-Fässer ohne Boden zu versenken, ohne dass sich dort irgendwas zum Besseren wendet, ist weitaus schlimmer, weil perspektivlos. Ausserdem verstösst es diamentral gegen Artikel 125 AEUV. 

Angesichts des täglich erwartbaren vollständigen Bankrotts Griechenlands - wie oft sollen die Ratingagenturen Hellas noch runterstufen bis die Euro-Herrscher aufwachen? - sollte Hellas lieber heute als morgen in ein geordnetes Insolvenzverfahren einsteigen, an dessen Ende dann die Karten wieder neu gemischt werden. Und mit einer danach neu eingeführten, eigenen Währung kann Griechenland seine strukturellen Defizite wie Steuerbetrug, Korruption, Immobilienblase, Mega-Militarismus selber so lösen wie es möchte, ohne unseriös ständig von neuem seine nördlichen Nachbaren anzupumpen. 

Das gebetsmühlenhaft vorgetragene statement von Schäuble und Lagarde "wir retten den Euro koste es was es wolle" wird von den Finanzmärkten längst als Bluff durchschaut, und sie warten nur darauf, dass beim showdown die im Euro-Wahn Gefangenen ihre Karten auf den Tisch legen müssen. Und bis Frankreich, Deutschland und den Niederlanden wegen ihres aberwitzigen Gläubiger-Status zugunsten der PIGS dann das AAA-Rating entzogen wird. Spätestens kommt dann die von Krauss befürchtete Stunde der Populisten, weil man dann niemandem mehr die Fortsetzung einer solchen uferlosen und unsinnigen Transferpolitik von Nord nach Süd mehr vermitteln kann.

Und wenn Griechenland selber zu seiner Sanierung nicht fähig ist - die geradezu zwanghaften (Gewerkschafts)Proteste deuten daraufhin und die jungen GriechInnen, die zu Tausenden ihr Land verlassen, weil sie dort keine no-future-generation sein wollen - dann muss eben ein/e EU-StaatskommissarIn her, der dem Land endlich zeigt, was es zu tun hat, um zu einem ausgeglichenen Haushalt und geordneten Staatsfinanzen zu kommen. 

Eine massive Reduzierung der bizarr großen griechischen Armee mindestens um die Hälfte und eine Verringerung des absurd hohen griechischen Militärhaushaltes (des höchsten in Europa!) um mindestens 50%, wären die beiden ersten Maßnahmen, die ich so einer/m KommissarIn empfehlen würde.

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Euro-Ausstieg

Macht Front gegen die Anti-Euro-Populisten

Kommentar Die Stimmungsmache gegen die Gemeinschaftswährung ist dumm. Einen Ausstieg der verschuldeten Südländer kann es nicht geben. Und Berlin sollte das klar sagen. von Melvyn Krauss
Melvyn Krauss ist emeritierter Professor für Volkswirtschaft der Universität New York.
Die Euro-Zone taumelt von einer erschreckenden Krise in die nächste. Ein Ende ist nicht in Sicht. Natürlich stellt sich die Frage, wie lange dieser Drahtseilakt noch gut gehen kann, bevor der Euro das Gleichgewicht verliert und auf die Nase fällt.
Melvyn Krauss Melvyn Krauss
Eine Antwort darauf findet sich in dem brillanten Einakter "Geschlossene Gesellschaft" von Jean-Paul Sartre. In dem 1944 uraufgeführten Stück des französischen Philosophen sind drei Verstorbene auf ewig in einem Raum gefangen. Sie werden psychisch so stark voneinander abhängig, dass sie den Raum selbst dann nicht verlassen können, als sich die Tür auf wundersame Weise öffnet. Auch für die Teilnehmer der Euro-Zone gilt: Es gibt kein Entkommen, der Trennungsschmerz wäre zu stark.
Auch für die nördlichen Länder war das Ja zum Euro ein Weg ohne Rückkehr. Auf die Frage, ob er sich ein Ausscheren seines Landes aus dem Euro vorstellen könnte, sagte einmal ein ranghoher niederländischer Vertreter: "Niemals, dafür machen wir viel zu viel Geld mit dem Euro." Südeuropas Länder hätten im alten System regelmäßig ihre Währungen abgewertet. Das sei für Hollands Exporte kostspielig. Zu dem System wolle er nicht zurückkehren.
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, dass der Euro Deutschlands schicksalhafte Notwendigkeit sei, machte sie deutlich, dass sie diesen wichtigen Punkt verstanden hat. Nur weil die Kapitalspritzen für den Süden die Handelsgewinne schmälern, werden die Deutschen und die Niederländer nicht völlig auf die Gewinne verzichten, die ihnen der Euro einbringt. Kluge Menschen konzentrieren sich auf die Handelsgewinne, die deutlich größer sind als die Notzahlungen. Die populistische Stimmungsmache in den nördlichen Ländern gegen den Euro ist dumm.
Aber warum hören dann die Regierungen der Nordländer so sehr auf die Populisten? Möchte man private Geldgeber dazu bringen, fällig werdende griechische Verbindlichkeiten umzuschulden? Dann ergibt es überhaupt keinen Sinn, darauf zu beharren, dass vor weiteren Staatshilfen zunächst erst einmal private Gläubiger auf ihre alten Außenstände zumindest teilweise verzichten. Aber genau das tut Berlin.
Anstatt zu sagen: "Wir bestehen auf einem Haircut, und Griechenland wird vorher nicht einen Cent sehen", sollte die Regierung den Privatgläubigern erklären: "Wir wollen nicht, dass ihr Einbußen erleidet, deshalb stellen wir Griechenland neues Geld zur Verfügung." Merkels Angst vor den Populisten in ihrem Land ist der Grund für diese fehlgeleitete Politik.
Es kann keinen Ausstieg aus dem Euro geben, deshalb müssen die Beteiligten lernen, gemeinsam Probleme zu lösen. Vorurteile und Beleidigungen helfen nicht. Schockiert habe ich gelesen, dass der frühere EZB-Chefökonom Otmar Issing den Griechen vorgeworfen hat, sich ihren Weg in den Euro erschwindelt zu haben. Was bringt so eine Aussage? Hilft es dem Euro wirklich über seine Probleme hinweg, wenn eine so wichtige Person wie Issing die Griechen verleumdet?
Die berühmteste Passage aus "Geschlossene Gesellschaft" lautet: "Die Hölle, das sind die anderen." Nach Issings Äußerungen dürfte den Griechen sehr klar sein, was Sartre beim Schreiben dieser Worte durch den Kopf ging.
Wenn man in einem Raum mit Menschen festsitzt, die einen für einen Betrüger und einen Lügner halten, kann man das als Anreiz nehmen, sie eines Besseren zu belehren. Das ist für die Griechen ein weiterer Grund dafür, nicht aufzugeben, trotz des ausgesprochen schwierigen Sparprogramms: Sie wollen ihren Kritikern zeigen, dass sie sehr wohl dazugehören.

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