Mittwoch

Ein Jahr "Unbequemer Blog" - Eine Zwischenbilanz zur Euro-Krise

Heute vor einem Jahr wurde das erste Posting im Unbequemen Blog online gestellt. Anlass war das erste sog. "Rettungspaket" für das marode Griechenland.


Zwölf Monate später (mit 1750+ Blogpostings und 45.000+ LeserInnen) ist von Hellas"rettung" nichts zu sehen, im Gegenteil: die Situation der PIGS ist schlechter denn je. Mit jeder seiner Prognosen für Griechenland, Irland und Portugal (who comes next? Spain?) hat der Blogger - leider! - ständig recht gehabt. Als Thema für einen Zwischenkommentar sind die über 170 Postings zur Hellas-Misere und über 150 zur Euro-Krise gut geeignet. 


Sich im Juni 2011 wieder einmal systematisch mit der Euro- und PIGS-Perspektive zu beschäftigen, gibt dem Blogger auch Gelegenheit, besonders denjenigen Blog-LeserInnen zu antworten, die mitunter besorgt gefragt haben, ob er nicht unreflektiertes Greece-Bashing betreibe und mit seiner Euro-Kritik nicht den politische rechten PopulistInnen in die Hände spiele.


Da es sicher bei den nachfolgenden natürlich auch um Belege und Referenzen geht, will ich - damit ich nicht immer mühsam extra einzeln sagen muss: "das hab ich aus ....." vorab meine Info-Quellen transparent machen: FTD, Handelsblatt und Eurointelligence täglich online. FT, El Pais, Bloomberg und - notgedrungen... Kathimerini ad hoc. Wer will kann  auch im Blog selber noch detaillierter sehen, was ich lese.  

Ich sage es gleich pointiert vorweg: Ich glaube nicht mehr an die Konsolidierung Griechenlands. Hellas´ Probleme sind struktureller Art: Mit dem Euro ist es in einen Währungsverbund gekommen, dem es niemals hätte beitreten dürfen. Angesichts des minimalen bis Null-Wachstums seiner Wirtschaft wird es seine horrenden Schulden nie zurückzahlen können. Deshalb ist es angezeigt, diese Schulden nicht im Quartalstakt mit sog. "Rettungs"paketen (die effektiv gar nichts "retten", sondern die strukturellen hellenischen Defizite nur verlängern bzw. verschleiern) immer weiter zu erhöhen, sondern durch eine geordnete griechische Staatsinsolvenz Hellas wieder in eine ihm angemessene Situation zu befördern. 

Leute, denen der Blogger solches vorhält, wenden oft ein, ich solle nicht so rückwärtsgewandt denken. Was früher mal passiert sei, sei Geschichte und nicht mehr aktuell. Aber die Euro-Hellas-Geburtsfehler zu markieren ist mehr als irrelevante Nostalgie. Mit so einer Argumentation könnte man auch einen Betrüger straffrei laufen lassen, nur weil man seinen Betrug erst ein Jahr später nach der Tat entdeckt. 


Neben den illegalen griechischen Statistiktricksereien zeigen sich mehr und mehr die strukturellen Problem des Euro: Er war/ist eine Fehlkonstruktion, weil er nur als pure Schönwetterwährung entworfen wurde. Niemand hat sich leider Gedanken gemacht, was zu tun ist, wenn der Euro in empfindliche Krisen, wie wir sie jetzt haben, trudeln wird. 

Mit rechtem Populismus will der Blogger wirklich nichts zu tun haben. Aber dass Wahre Finnen, BILD-Zeitung, die Finanzminister der Niederlande und Österreichs und Hans-Werner Sinn nun eine so bemerkenswerte Allianz eingegangen sind, ist nicht meine Schuld, sondern derer, die Hellas´ Euro-Beitritt damals wider alle wirtschaftliche Vernunft durchgewunken haben, und die von uns SteuerzahlerInnen jetzt immer neue Hilfsgelder mit dem Mantra "wir müssen den Euro retten egal was es kostet" erpressen wollen. 

Und es ist die Schuld der griechischen Mißwirtschaft, wo fast wöchentlich neue Absurditäten ans Tageslicht treten. Stichwort: Tausendfache Rentenzahlungen an Personen, die schon lange nicht mehr leben....Ja mit solchem Mißmanagement spielt man genau den Rechtspopulisten in die Hände. 


Es gibt durchaus Zweifel darüber, dass eine Rückkehr Griechenlands zur Neo-Drachme die Riesen-Katastrophe wäre, wie Schäuble und Co. es uns ständig einsuggerieren wollen, damit wir vor jeder ihrer dauernden Forderungen nach neuen Transfermilliarden Richtung PIGS nur kuschen sollen. 


Gerade zu diesem Aspekt liest der Blogger die Vielfalt hochkarätiger kontroverser Meinungen in FT, FTD, HB sehr genau und schätzt grob, dass die Ansichten der PolitikerInnen, FinanzanalytikerInnen und WirtschaftsjournalistInnen zu diesem Punkt etwa 50 zu 50 geteilt ist. Die deutschen Banker haben jedenfalls inzwischen ihre Gefolgschaft zu Schäuble glücklicherweise schon aufgekündigt und ziehen massiv ihr Geld aus Hellas zurück (die BürgerInnen in Griechenland wohlweislich auch). 

Also warum wird sich immer noch gegen das gute deutsche Sprichwort "Lieber Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" gewehrt? Heiter wird das überfällige Insolvenzverfahren für Hellas sicher nicht über die Bühne gehen, aber quasi jeden Monat immer wieder neues gutes nordeuropäisches Geld in die PIGS-Fässer ohne Boden zu versenken, ohne dass sich dort irgendwas zum Besseren wendet, ist weitaus schlimmer, weil perspektivlos. Ausserdem verstösst es eklatant gegen Artikel 125 AEUV. Aber wie man beim Dr-Betrüger Guttenberg schon bedenklicherweise sehen konnte, nimmt man es mit Recht und Gesetz vielleicht in Deutschland generell gar nicht mehr so genau...

Wie sich nun in der Krise herausstellt, war die Konstruktion des Euro äuerst mangelhaft. Aber warum kann die politische Kaste in Berlin, Paris und Bruxelles nicht einfach ihre damalige Fehler jetzt, wo sie für alle zu Tage treten, eingestehen, das Experiment Euro für gescheitert erklären und wieder zum Status quo ante zurückkehren, wo vor 10 Jahren sowohl Deutschland als auch Griechenland solvent waren und jeder auf seine facon selbständig gewirtschaftet hat?

Zusammengefasst:
Angesichts des täglich erwartbaren vollständigen Bankrotts Griechenlands - wie oft sollen die Ratingagenturen Hellas noch runterstufen bis die Euro-Herrscher aufwachen? - sollte Hellas lieber heute als morgen in ein geordnetes Insolvenzverfahren einsteigen, an dessen Ende dann die Karten wieder neu gemischt werden. Und mit einer danach neu eingeführten, eigenen Währung kann Griechenland seine strukturellen Defizite wie Steuerbetrug, Korruption, Immobilienblase, Mega-Militarismus selber so lösen wie es möchte, ohne unseriös ständig von neuem seine nördlichen Nachbaren anzupumpen. 

Das gebetsmühlenhaft vorgetragene statement von Schäuble und Lagarde "wir retten den Euro koste es was es wolle" wird von den Finanzmärkten längst als Bluff durchschaut, und sie warten nur darauf, dass beim showdown die im Euro-Wahn Gefangenen ihre Karten auf den Tisch legen müssen. Oder bis Frankreich, Deutschland und den Niederlanden das AAA-Rating entzogen wird. Spätestens dann wird man keine/r WählerIn in Frankfurt, Lyon und Amsterdam die Fortsetzung einer solchen uferlosen und unsinnigen Transferpolitik von Nord nach Süd mehr vermitteln können.

Wenn die PolitikerInnen noch länger blind bleiben, dann bezahlen die Zeche dafür leider wie schon so oft nicht die Eliten in den Hauptstädten, sondern die/der einfache BürgerIn auf der Strasse mit ihren/seinen Sparbüchern, die dann im Zuge einer Währungsreform empfindlich abgewertet werden. 

Und wenn Griechenland selber zu seiner Sanierung nicht fähig ist - die geradezu zwangshaften (Gewerkschafts)Proteste deuten daraufhin und die jungen GriechInnen, die zu Tausenden ihr Land verlassen, weil sie dort keine no-future-generation sein wollen - dann muss eben ein/e EU-StaatskommissarIn her, die/der dem Land endlich zeigt, was es zu tun hat, um zu einem ausgeglichenen Haushalt und geordneten Staatsfinanzen zu kommen. 


Eine massive Reduzierung der bizarr großen griechischen Armee mindestens um die Hälfte und eine Verringerung des absurd hohen griechischen Militärhaushaltes (des höchsten in Europa!) um mindestens 50%, wären die beiden ersten Maßnahmen, die ich so einer/m KommissarIn empfehlen würde.

Wem das eine oder andere in meinen o.a. Ausführungen zu wenig konkret oder zu wenig detailliert ist: Wie der tagcloud des Unbequemen Blogs zu entnehmen ist, stehn da über 170 Bloposts zu Hellas und über 150 zur Euro-Krise drin.

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