Das ist die Quintessenz einer Analyse von Wolfgang Münchau, Präsident des Brüsseler Thinktank "Eurointelligence" und Mitherausgeber+Kolumnist der FTD. Hier eine Zusammenfassung seiner Argumentation:
Was der Zusammenbruch von Lehman Brothers für das internationale Finanzwesen darstellte, war in Europa der 30. September 2008, als der irische Premierminister eine Blanko-Garantie für den gesamten Bankensektor in Irland gab. Die anderen Regierungschefs der Eurozone mussten ihm folgen und den Rest der story kennen wir.
Für Münchau ist dies die katastrophalste politische Entscheidung in Europa seit 1945, weil sie ohne irgendeine Strategie getroffen wurde, die wirklichen Probleme des Bankensektors zu lösen: mangelnde Kapitalausstattung, der Umfang der faulen Vermögenswerte, schlechtes Management und ein viel zu aufgeblähter Umfang. Die Folgen dieser Strategie wird erst in den nächsten Jahren deutlich werden. Einen kleinen Vorgeschmack gab es Anfang Oktober, als Irland feststellen mußte, dass das schwarze Loch in seinem Bankensektor das Land coole 32 Prozent (!) seines Brutto-Inlandproduktes kosten wird, eine sehr erschreckende Ziffer. Deutschland ist demgegenüber weiterhin notorisch optimistisch gegenüber seinem Bankensektor, obwohl auch dieser zum großen Teil unterkapitalisiert ist.
Der Hauptfehler der europäischen Regierungen zu Beginn der Finanz-Krise war, dass das Bankensystem nicht verkleinert wurde und dass die Gläubiger nicht zu den Rettungsmaßnahmen mit herangezogen wurden. Anscheinend haben die Banken die Regierungen glatt übern Tisch gezogen.
Warum wird nicht einfach Zahlungsunfähigkeit erklärt? Die Geschichte hat gezeigt, dass sich Länder nach einer Insolvenz schnell wieder erholen können. Aber in Europa ist Staateninsolvenz das allergrösste Tabu. Lieber - so im Falle von Lettland - setzt man sich einer brutalen wirtschaftlichen Depression aus. Eine Abwertung der Währung hätte dort geholfen, aber das wurde als political not correct betrachtet. Irland und Griechenland legen lieber ihre Wirtschaft für Generationen lahm als dass sie sie den Mut zur Insovenz haben. Aber beide Länder sind faktisch bankrott, wenn man davon ausgeht, dass es dort auf fünf bis zehn Jahre kein wirtschaftliches Wachstum mehr geben wird.
Selbst Griechenland, mit einem Verhältnis von 150% zwischen Staatsschulden und Brutto-Inlandsprodukt möchte ohne Insolvenz einfach weiter machen, ohne dass sicher ist, dass Griechenland seine Schulden durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum begleichen kann.
Die europäische Finanzkrise wäre viel leichter mit wenigstens einem teilweisen Insovlvenverfahren zu lösen. Aber das geht gegen das europäische Dogma. Die Eurozone beruht auf den drei Säulen: Keine Insolvenz, kein Ausstieg, keine Sanierung. Eine Kombination, die in sich schon unlogisch ist, aber tief verwurzelt im EU-Denken. Inzwischen hat sich die EU von der dritten Säule verabschiedet, verteidigt die beiden ersten aber weiterhin mit aller Vehemenz.
Nach wie vor verschließt die EU die Augen vor der katastrophalen Situation Irlands und Griechenlands, obwohl Irland (wie Spanien) fast übernacht vom Zustand einer beeindruckenden blühenden Wirtschaft in den Zustand eines quasi Bankrotts gerieten.
Das große Problem in der Eurozone ist nicht die Haushaltsdisziplin, sondern die nationale Zahlungsfähigkeit. Aufgrund der erteilten Blanko-Garantien kann man jetzt nicht mehr private und öffentliche Schulden trennen. Es gibt schlicht und einfach nur noch Schulden. Und mittlerweile sind wir in der paradoxen Situation, wo die Rettung der Banken sicherer ist, als die Rettung derer, die sie gerettet haben.
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