Rezension von: Bob Woodward "Obamas Kriege - Zerreißprobe einer Päsidentschaft"
Deutsche Verlagsanstalt, München, 496 Seiten, Euro 24.99, 2011
Beim Thema Barack Obama haben - hoffentlich - schon vor der neuen Publikation von Woodward manche Leute runde Augen bekommen, als der Präsident vor einem Jahr den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Der war zwar lange Zeit shooting star der amerikanischen Politik, aber noch ohne irgendwelche politischen Erfolge. Der Friedensnobelpreis sozusagen einen Preis als Scheck auf die Zukunft? Der Blogger war schon damals reichlich skeptisch gegen die allgegenwärtige Obamania. "Messias", Heilsbringer, Allmächtiger - das passt doch alles nicht in die politische Welt des Pragmatismus, Kompromiss, der kleinen Schritte.
Da kommt Woodwards neustes Buch genau richtig, um auch denjenigen, die vielleicht noch gehofft haben, über die sich Skepsis gegen den Mann im Weißen Haus geflissentlich hinwegtäuschen zu können, eines Besseren zu belehren.
Es ist ein Buch, das man mit hoher Aufmerksamkeit lesen sollte. Woodward präsentiert so viele interne Memos rund um das Weiße Haus und die amerikanische militärische Führung, so viele Interviews und Beobachtungen erster Hand, dass man nur mit Konzentration den Überblick behält. Aber wer bei der Lektüre dran bleibt, wird mit einem atemberaubenden Insider-Bericht belohnt, der zeigt, wie der Präsident tickt, wie das US-Militär seine Interessen bei Obama durchsetzt und wie die militärisch-politische Entscheidungsführung in den USA rund um den Krieg in Afghanistan und Pakistan gestrickt ist.
Woodward arbeitet vorzüglich die ständigen Konflikte zwischen Obama, anderen Regierungsmitgliedern und den US-Generälen heraus, ein Konflikt der auch mit Obamas Entscheidung, die amerikanischen Truppen um 30.000 Soldaten zu erhöhen und nächstes Jahr mit dem amerikanischen Abzug zu beginnen, nicht zu Ende ist. Woodwards packender Schreibstil schlägt die/den LeserIn in Bann, so dass sie/er immer wieder meint, sie/er säße selbst bei den vielen Sitzungen im Weißen Haus dabei.
Alle diejenigen, die noch vom "Sieg" im Afghanistankrieg träumen, werden in Woodwards Buch eines besseren belehrt, wenn Woodward Vertreter an der Spitze des amerikanischen Militärs und Politik zitiert: "Ich glaube nicht, dass man so einen Krieg gewinnen kann. Man muss immer weiter kämpfen. Das ist ein Krieg, der unser ganzes Leben begleitet und auch das unserer Kinder" (General Petraeus, S. 207.17).
Ebenfalls erschreckend ist das Urteil des US-Sonderbotschafters Holbroke über das zweite Lieblingskind der deutschen BefürworterInnen der deutschen Kriegsführung in Afghanistan: Die Hilfe beim sog. "zivilen Aufbau" Afghanistans. Holbroke nimmt kein Blatt vor den Mund (S. 225-226): "Alle Unternehmen von Entwicklungsprojekten machen Zahlungen an die Taliban zu ihrem Schutz und damit sie die Strassen benützen dürfen. Also helfen die Dollars der USA und ihrer Verbündeten den Taliban. Und je mehr Entwicklung, je mehr Verkehr auf den Strassen und je mehr Truppen, umso mehr Profit können die Taliban machen".
Ein überaus spannendes Buch über den Afghanistankrieg, das hoffentlich auch den Letzten davon überzeugt, dass es in diesem Krieg nichts zu gewinnen gibt und ihm die Augen über das Karzai-Regime in Kabul öffnet. Und nach dessen Lektüre man über die Entscheidung des Osloer Friedensnobelpreis-Komittes nur noch mehr den Kopf schütteln kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen