„als sie das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengungen“ – dieser viel zitierte Spruch kam mir gestern in den Sinn, als ich von den Ergebnissen der Pressekonferenz nach der Zentralbankratssitzung las. EZB-Präsident Mario Draghi überraschte die Beobachter mit klaren Ankündigungen einer noch weiteren geldpolitischen Lockerung. Hoffnungen, dass die Zentralbank ihr unnötiges Anleihekaufprogramm angesichts des robusten Wirtschaftswachstums wenigstens frühzeitig beenden könnte, haben sich zerschlagen. Stattdessen stellte die EZB eine Verlängerung des Programms über September 2016 hinaus in Aussicht.
Draghi ist Gefangener seiner eigenen Argumentation, wie ich in meiner Analyse beschreibe. Er hat den Einstieg in das Quantitative Easing mit der Befürchtung begründet, dass die Euro-Zone in eine Deflation mit auf breiter Front sinkenden Preisen und Löhnen abrutschen könnte. Dabei war nie mehr als eine Disinflation zu erkennen, hervorgerufen vor allem durch eine Halbierung des Rohölpreises. Auch der Aufschwung in der Euro-Zone war bereits unterwegs, als die EZB im Januar die Anleihekäufe von 60 Milliarden Euro im Monat beschloss, mit denen sie im März begann. Nun droht die Inflationsrate angesichts des erneut abrutschenden Ölpreises wieder in den negativen Bereich abzusacken, und Draghi muss seiner eigenen Logik folgend handeln. Dabei sind die Inflationserwartungen der Märkte auf Fünf-Jahres-Sicht gar nicht weit vom EZB-Ziel von knapp zwei Prozent entfernt – ein Ziel, das für das heutige weltwirtschaftliche Umfeld außerdem wohl sowieso zu hoch ist.
(Dirk Heilmann im Handelslblatt Research Institute)
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