Am 9.Mai 1985 schrieb mein Vater, damals 74jährig, einen Leserbrief in der FAZ (hier unten ein Auszug). Vorangegangen war ein früherer Leserbrief, in dem jemand als Regeländerung im Schach forderte, dass bei Patt (= der König ist nicht Matt, kann aber in kein schachfreies Feld mehr ziehen) der materiell Überlegene 0.75 Punkte (statt - so die Regel - 0.5 Punkte) erhalten soll.
Die Antwort meines Vaters zeigt auch seine Schachphilosophie, die jedem schnöden Materialismus abhold war und sich lieber an geistreichen Einfällen erfreute. Am liebsten natürlich an Partien, wo ein materiell unterlegener Spieler mit seinem klugen Nachdenken (z.B. gutes Positionsspiel) den materiell überlegenen Gegner besiegt, obwohl der über mehr Figuren verfügt. "Sein statt Haben" könnte man mit Erich Fromm formulieren.
Bildquelle: duden.de |
Aus dem Leserbrief von Walter Luber:
"In vielen Fällen setzt der (materiell) Überlegene gar nicht patt, sondern es gelingt dem materiell unterlegenen Gegner durch eine geistreiche Kombination eine Pattstellung herbeizuführen, welche ihm das Remis sichert. Soll derjenige bestraft werden, der durch phantasievolle und kluge Einfälle das Mattsetzen des an Figuren stärkeren Gegners verhindert? Wenn der Stärkere die mögliche Wendung zum Patt nicht durchschaut, so ist eben seine materielle Überlegenheit durch die geistige Überlegenheit des Gegners mindestens ausgeglichen und das Remis die gerechte Lösung.
Die Schachgeschichte und die Turnierpraxis sind reich an Beispielen, in denen Übergewicht an Material nicht um Siege führt, sondern einfallsreiche und brillante Kombinationen der Gegenseite ein Remis oder sogar den Gewinn erzwingen. Immer wieder erfreuen sich die Scachliebhaber an solchen "Siegen des Geistes über die Materie" (Siegbert Tarrasch)."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen