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Nach dem Euro-Niedergang erodiert nun auch das Recht

Ruth Berschens, die Leiterin des Handelsblatt-Büros in Bruxelles scheut sich in ihrer Kolumne auf Seite 8 der HB-Ausgabe vom 6.7.11 nicht davor, die jetzt in Karlsruhe zur Verhandlung stehenden Zweifel am Euro in billiger Weise zu desaouvieren, indem sie die Kläger als rückwärtsgewandte Nostalgiker lächerlich zu machen versucht. Bemerkenswerterweise kann sie aber selber kein substantielles Argument für die Beibehaltung dieser immer mehr ins Abseits geratenden Zwangswährung aufführen. Das einzige ist ihr Mantra, ein Austieg aus dem Euro sei teurer als die sog. "Rettungs"pakete für die PIGS. 


Abgesehen davon, dass die untauglichen Sanierungsversuche wie man sieht überhaupt nichts "retten", sondern den unausweichlichen Bankrott Griechenlands und Portugals nur ständig weiter verteuern -  will Frau Berschens damit allen Ernstes auch einen Blankoscheck für die in sich in genauso bedenklicher wirtschaftlicher Schieflage befindenden anderen PIGS-Länder wie Spanien und Italien ausstellen, sie möchten sich zwecks ihrer Sanierung bedenkenlos auch bei der Nord-EU bedienen? Soll diese Sanierungspolitik auf ewig so weiter gehen für Staaten, bei denen es nichts mehr zu sanieren gibt, sondern nur noch ein schnelle Abwicklung unter Aufsicht eines EU-Kommissars hilft? 


Ebenso hohl ist Frau Berschens dramatisches Bild, dass Europa angeblich kaputt gehe, wenn Hellas endlich die Neo-Drachme einführt. Das verstehe wer will. Ein Land, dass sich mit gefälschten Statistiken illegal den Zugang zu Euro-Land verschafft hat, Tausenden von Toten jahrelang Rente auszahlt, in dem Steuerbetrug ein Volkssport ist und dass sich völlig unverständlicherweise eine Mega-Armee und einen bizarren Riesen-Militärhaushalt leisten kann, das soll ruhig für sich selber sorgen und seine Wirtschaft nach ganz eigenen hellenischen Standards einrichten - im Euro-Verbund hat es nichts zu suchen. 


Im übrigen hat Frau Berschens offenbar so wenig überzeugende Sachargumente für den Euro, dass sie zu Weltuntergangs-Beschwörungen greifen muss: unsere Zukunft sei angeblich "auf Gedeih und Verderb" mit dem Euro verbunden. Solche Drohungen kann nur jemand benutzen, der nicht mehr inhaltlich zu überzeugen vermag. Letzlich tut Frau Berschens damit genau das, was sie den Klägern in Karlsruhe vorwirft: sie appelliert selber anachronistisch in der wohlfeilen Art und Weise des 19. Jahrhundert an eine abwegige Nibelungentreue und Staaten-Kumpanei für den Euro. 


Wer so argumentiert, der kümmert sich dann auch verständlicherweise nicht mehr um Gesetz und Legalität. "Bail-out-Verbot hin oder her" formuliert Frau Berschens ganz locker. Ist also der Lisboa-Vertrag nur ein Papiertiger, den man bei Sonntagsreden großartig zitiert, wenn es aber drauf ankommt beliebig brechen darf? Es ist schon bemerkenswert, dass uns der Niedergang des Euro nicht nur immer massivere wirtschaftliche Probleme bringt, sondern dass um des Erhalts dieser Problem-Währung, nun sogar (staats)rechtliche Positionen wohlfeil aufgegeben werden. Wie sollen Eltern, Erzieher, Vorgesetzte jungen Menschen dann noch Respekt vor dem Strafrecht, dem Grundgesetz, ganz zu schweigen vor dem EU-Recht nahe bringen, wenn ein so grundlegender Artikel wie 125 des AEUV einfach unbekümmert gebrochen wird? Ich höre schon den nächsten Ladendieb, der dann genauso argumentieren wird: "Diebstahlverbot hin oder her ". 


Dass für die Sanierung der PIGS zu immer tollkühneren Sprachmanipulationen Orwellscher Art gegriffen wird a la "erzwungene Freiwilligkeit", "Re-Strukturierung", "sanfte Insolvenz" usw ist schon absurd genug und zeigt, dass den PolitikerInnen in Berlin und Paris nichts mehr einfällt, um uns WählerInnen Euro-kirre zu halten. Dass aber um des Erhalts dieser fehlgeplanten Währung willen nun auch noch das Recht erodiert werden soll, ist wirklich erschreckend. 

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