Donnerstag

Offener Brief gegen den Wachstumsfetisch von MP McAllister

Zum Gastkommentar von den niedersächsischen Ministerpräsidenten im Handelsblatt vom 7.4.11, Seite 56
("McAllister schlägt Wachstumsstrategie vor, um den überschuldeten Ländern zu helfen")


Offener Brief an Ministerpräsident McAllister - 


guten Morgen, Herr Ministerpräsident. Ihre Dynamik als MP verfolge ich stets mit Interesse. 
Mit Ihrem Gastkommentar in der heutigen Ausgabe des Handelsblatt bin ich allerdings nichts einverstanden. 
Dass Sie als doch sonst so fantasievoller Politiker, der sich bemüht, nicht dem mainstream hinter her zu laufen, wieder einmal in die uralte Klamottenkiste des Wachstumsfetischismus greifen, darüber kann ich nur den Kopf schütteln. 


Wer aufmerksam die AnalytikerInnen in der Wirtschaftspresse liest, weiss doch zur Genüge, dass Griechenland, Irland, seit gestern: auch Portugal, und wenn die Eurokrise so weiter galoppiert wie bisher: auch noch die anderen PIIGS nie und nimmer ihre aberwitzigen Wirtschaftswachstums-Ziele erreichen werden, mit denen sie angeblich ihre Schulden zurückzahlen wollen. 


Also werden die deutschen und französischen SteuerzahlerInnen dafür zur Kasse gebeten werden, schlimmstenfalls sogar mit einer Währungsreform, weil der Euro nicht aufrecht zu erhalten ist. Und dafür haften dann nicht nur Ihre und meine Generation sondern auch die unserer EnkelInnen. Wollen Sie das verantworten?


Und was mehr Wachstum in Deutschland konkret bedeutet, wissen Sie doch auch:

  • Noch mehr Natur-Versiegelungen
  • Noch mehr Strassen
  • Noch mehr Energieverbrauch
  • Noch mehr Verkehrslärm
  • Noch mehr LKWS
  • Noch mehr Schadstoff-Emissionen



Wollen Sie das?


Wie es einem Land ergeht, dass auf Gedeih und Verderben auf Wachstum setzt, in diesem Fall auf eine der gefährlichsten Technologien, die die Menschheit bisher produziert hat, sehen wir doch jetzt in Japan. 


Auch Ihr Beispiel des internationalen elektronischen Handels, mit dem sie auf Ihre Wachstumsperspektive setzen, überzeugt mich nicht. Ich kaufe schon seit Jahren grenzüberschreitend online und hab mich noch nie um "elektronische Signaturen" oder "fehlende harmonisierte Regelungen" kümmern müssen. Ich surfe preisvergleichend, kümmere mich um die Ergebnisse des vielfältigen Social Media Marketing und dann ein Kaufclick mit e-Bezahlung. 


Wo ist da a) das e-Handelsproblem und b) wie soll die Lösung dieses Problems Wachstum (wenn man ihn, wie offenbar Sie, überhaupt will) generieren?


Herr Ministerpräsident, legen Sie es mir nicht als Nostalgie aus, wenn ich als rund 30 Jahre Älterer auch einen historischen Blick zurück werfe im Rahmen dieser Wachstumsdebatte. Ich kann mich noch gut an die DM-Zeiten erinnern. Da war Deutschland bestimmt nicht ärmer dran als jetzt, auch ohne so verbissen auf Wachstum zu setzen. Dass es verschiedene Währungen gab, hat uns im Urlaub eher belustigt als dass wir das als Wirtschaftswachstums-Defizit gesehen hätten. 


Seit der wirtschaftspolitisch überhaupt nicht hinreichend reflektierten Einführung des Euro als verbindliche Währung für völlig divergierende Volkswirtschaften ist diese DM-Stabilität jetzt perdu: Der Preisanstieg im letzten Jahrzehnt ist eklatant, die Schuldenlast pro Einwohner Deutschlands wird bald 30.000 Euro betragen und von den Euro-PIGS sind Griechenland, Irland und Portugal bereits quasi-bankrott und spekulieren schon munter darauf, dass der Zahlmeister Deutschland die Zeche für deren sorgloses unverantwortliches Wirtschafen zahlen soll. 


Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die großen EU-Konzerne die treibende Kraft hinter der Euro-Einführung waren, um ihre Gewinne zu steigern. Für, wie es so schön heisst "die Frau und den Mann auf der Strasse" hat der Euro überhaupt keinen Vorteil gebracht, sondern - man sieht es ja, wie nun reihenweise die Euro-Peripherien Insolvenz anmelden und sich vom Euro-Norden aushalten lassen müssen - nur Nachteile.


Herr Ministerpräsident: Fahren Sie bitte Ihren Sparkurs, für den Sie ja schon bemerkenswert positive Signale gesetzt haben noch viel härter weiter, statt auf abwegige Wachstumsstrategien zu setzen, die Deutschland nur schaden und den PIGS nicht helfen. 


Den PIGS hilft nur eine rigorose Selbst-Sanierung und eiserne Haushaltsdisziplin, um selber aus deren selbstproduzierten Wachstumsfalle z.B. des billigen, nur durch unseriöse Kredite finanzierten Immobilienmarktes rauszukommen, statt Frankreich und Deutschland auf der Tasche zu liegen. 


Griechenland sollte da mit gutem Beispiel vorangehen: Endlich seine BürgerInnen zur Steuerehrlichkeit anzuhalten, ernsthaft die landauf landab in diesem Land massenhaft grassierende Korruption  zu bekämpfen und endlich seine geradezu aberwitzig hohen Militärausgaben und Truppen (Hellas tut mit seiner Mega-Armee so als ob der 3.Weltkrieg bevorstünde...das versteht doch kein Mensch) drastisch zu reduzieren. Mit so einem Sparhaushalt kann sich Griechenland und ähnlich auch seine PIGS-Kollegen selber aus dem Sumpf ziehen ohne externe Hilfe, die doch nur in einen Faß ohne Boden fließt. 


Auf Ihre Antwort bin ich gespannt, die ich gerne den LeserInnen meines Blogs präsentieren werde.


Mit freundlichen Grüssen und besten Wünschen für Ihre Regierungstätigkeit


Dr. Burkhard Luber, hubluber@web.de

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