Anlass seiner Recherchearbeit war ein durch Wikileaks bekannt gewordenes Dokument der US-Botschaft in Deutschland, das auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Mailand gegen CIA-Agenten im "Entführungsfall Abu Omar" verweist. Der unmittelbare Auslöser für seine Recherchen ist die im Oktober 2010 neu erschienene umfangreiche Monographie des investigativen Journalisten Steve Hendricks (“Kidnapping in Milan”). In ihr wird eine Fülle neuen, bisher unveröffentlichten Materials zu den an Abu Omar verübten Verbrechen präsentiert.
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Der Unbequeme Blogger hat das Buch von Hendricks detailliert ausgewertet. Diese Auswertungen des Buches von Hendricks, seine umfangreiche Korrespondenz mit dem Autor und seine eigene Einsichtnahme in die Mailänder Ermittlungsakten sind die Grundlage der nachfolgend dargestellten neuen Erkenntnisse.
Steve Hendricks |
Es gibt drei Kernpunkte in dem Fall:
- Der Status der Air Base Ramstein in dem gesamten Entführungsfall
- Die Transitzeit von Abu Omar auf der Air Base Ramstein
- Angaben über die mutmaßlichen TäterInnen.
Ein kurzer Rückblick auf die Geschehnisse:
Am 13.Februar 2003 wird der ägyptische Bürger Abu Omar, ein islamischer Geistlicher, der in Italien politisches Asyl besaß, mittags auf offener Strasse von CIA-Agenten in Mailand gekidnapt, gewaltsam in einem Auto von Mailand auf die USAFB Aviano verbracht und in ein Flugzeug geschleppt, das ihn gefesselt und geblendet zur USAFB Ramstein bringt.
Das Flugzeug landet um 19.40 Uhr in Ramstein. A.O. wird gefesselt und geblendet aus dem Flugzeug in ein Gebäude auf der AFB gebracht und dort auf den kalten Boden geworfen. Nach 10 Minuten wird er aufrecht gestellt, entkleidet, bekommt einen äusserst schmerzhaften Gegenstand in den Po gesteckt und wird mit einem Pyjama und einer Windel versehen.
Als ihm danach seine Gesichtsmaske abgenommen wird, um ihn zu fotografieren, sieht er sich einer Gruppe von ca. 10 Personen in schwarzen und khaki Uniformen gegenüber. Danach wird sein ganzes Gesicht mit Klebeband verklebt, er wird erneut gefesselt und in ein anderes Flugzeug verschleppt. Um 20.30 startet dieses Flugzeug von Ramstein mit Kurs nach Cairo. In Cairo wird A.O. mehrmals massiv gefoltert.
1) Der Status der Air Base Ramstein als operative Basis für die Entführung und Verschleppung von A.O.
Bisher (vgl. Kleine Anfrage im rheinland-pfälzischen Landtag 2006 und BT-Untersuchungsausschuss 2009) wird davon ausgegangen, daß dieser Flug nur flugroutenmässig über Ramstein verlaufen ist. In den bisherigen Akten ist von "Zwischenstopp"/"Zwischenlandung" auf der AB Ramstein die Rede.
Mehrere Indizien sprechen aber dafür, dass die Airbase Ramstein nicht nur die Funktion des Zwischenlandeplatzes darstellte, sondern dass von Ramstein – also von deutschem Staatsgebiet - aus die gesamte Entführungsoperation geplant und organisiert wurde:
- Am 04.02. 2003 wird das Entführungsflugzeug für A.O. von Washington nach USAFB Ramstein, am 17.02.2003 von Ramstein nach Aviano geflogen.
- Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Milano ergeben sich zahlreiche Telefongespräche des CIA-Entführungsteams mit dem amerikanischen Generalkonsulat in Frankfurt, Hotels, Leihwagenfirmen
- Ein Telefonat des obersten Sicherheitsoffiziersauf der US Air Base in Aviano (Italien) mit einem Gebäude der 435th Communication Group auf der USAF Base Ramstein. Höchstwahrscheinlich hat dieser Offizier in diesem Telefongespräch die erfolgreiche Entführung in Italien gemeldet und die Ankunft des verschleppten Abu Omar in Ramstein angekündigt.
Zwei Zitaten aus dem Text der Haftbefehle der Staatsanwaltschaft in Milano zeigen, die prominente Rolle der CIA-Operationsbasis in Deutschland:
Aus dem Text des Haftbefehls vom 27.09.2005:
„die o.a. gegebenen Tatbestände lassen uns vermuten, dass alle Entführer hauptsächlich Verbindungen nach Deutschland hatten oder nach der Entführung bzw. unmittelbar nach der Beteiligung an der Vorbereitung der Verschleppung dorthin verschwanden“
Aus dem Text des Haftbefehls vom 03.07.2006: „Zusammengefasst: Verschiedene Tatbestände weisen auf das Vorhandensein einer Operativen Basis in Deutschland hin, die die Verschlepper benutzten.“
2) DieTransitzeit auf der Air Base Ramstein
Bisher wurde davon ausgegangen, dass Abu Omar nach einem kurzen Zwischenstopp in Ramstein in ein extra von der CIA gechartertes Zivilflugzeug verbracht und dann nach Kairo ausgeflogen wurde. Was in der Transitzeit auf der AB Ramstein mit Abu Omar geschah war bisher kein Thema in den Untersuchungen.
Was geschah aber tatsächlich in der Transitzeit, d.h. in der Zeit von 19.40 Uhr (Landung des ersten Entführungsflugzeug von Aviano kommend in Ramstein) bis 20.30 Uhr (take off des zweiten Entführungsflugzeuges von Ramstein nach Cairo)?
Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken hat dazu bisher nur mit dem Verdacht auf Nötigung und Freiheitsberaubung ermittelt.
Die Studie von Steve Hendricks (S. 126-127, vgl. das oben Dargestellte für diese Stunde von A.O. auf der AB Ramstein) ergibt jedoch ein neues Bild: Abu Omar wurde in der Transitzeit auf der USAFB Ramstein schwer mißhandelt.
3) Wer sind die Täter für die Entführung und Verschleppung von A.O. und seine Mißhandlungen auf der AB, und wer sind die verantwortlichen Mitwissenden?
- Möglicherweise das Begleitteam, das mit dem entführten A.O. von Aviano nach Ramstein geflogen ist
- Auf jeden Fall das CIA-Team von ca.10 Personen, die ihn im Gebäude in Ramstein mißhandelt haben und
- Das Begleitteam, das mit Abu Omar zum Zwecke der Folterungen in Ägypten von Ramstein nach Cairo geflogen ist
- Als Mitwissende für das Vorhandensein der CIA-Operationsbasis auf deutschem Boden (vermutlich in einem Gebäude auf der USAFB Ramstein) und dem Plan der Entführungsoperation, nämlich A.O. in Cairo zu foltern, sind ausser den o.a. direkten Täter, die die Körperverletzungen an Abu Omar begangen haben, zumindest die Kommandantin der 435th Communication Group verantwortlich, zu deren Militäreinheit der Sicherheitschef der USAFB Aviano mindestens einmal, nämlich direkt nach dem Abflug des Entführungsflugzeuges von Aviano nach Ramstein, Telefonkontakt hatte, wahrscheinlich auch der Kommandant der USAFB Ramstein selber.
Diese o.a. neuen Erkenntnisse wurden heute auf einer Pressekonferenz der GRÜNEN in Mainz vorgestellt, die nach diesen Rechercheergebnissen des Unbequemen Bloggers eine rückhaltslose Aufklärung des Entführungsfalles des fordern: "Es darf keine rechtsfreien Räume auf deutschem Staatsgebiet geben, auch nicht auf einer Air Base von verbündeten Streitkräften."
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