Freitag

Was Württemberg in D von Hellas in der EU unterscheidet

Eines meiner Kernargumenten, warum wir zur Zeit in den Abgrund des Scheiterns des Euro blicken, ist bekanntlich, dass vor knapp einem Jahrzehnt Paris und Berlin in einem Art Eurorausch manisch vorschnell das Projekt einer europäischen Währung vorangepeitscht haben, ohne das zu berücksichtigen, was nicht nur für jeden aufgeweckten Wirtschaftswissenschaftler, sondern bereits für jeden Tourist mit wachen Augen, der die so unterschiedlichen Euro-Staaten bereist, nach wenigen Tagen evident ist: 



Europa ist kein homogener wirtschaftlicher und politischer Kontinent,  sondern ein Konglomerat ganz verschiedener Volkscharaktere, Völkergeschichten, Wirtschaftsphilosophien - von Sprachen - noch nicht einmal alle in Europa sind indogermanisch - Essenskultur und die Auffassungen, was eine angemessene Zeitdauer von Mittagsruhe betrifft, ganz zu schweigen. 


"What is the phone number of Europe!, fragte Kissinger bissig-ironisch zurecht, als Europa noch nicht mal den Balkankonflikt in seinem eigenen Hinterhof angemessen managen konnte, sondern nur gelähmt hilflos auf - na auf wen wohl? natürlich: - die Bomberjets der sonst so von den europäischen Diplomaten meist von oben arrogant betrachteten USA warteten, die das taten, wozu 30+ europäische Staaten in jahrelangem diplomatischen Klein-Klein nicht fähig waren: nicht weiter ständig nur rumzulabern, sondern endlich zu HANDELN.


Nun entschieden Kohl und Mitterand für den Euro natürlich nicht über den Wolken schwebend nur europaideologisch oder europaverrückt, als sie die Münzprägemaschinen für die Einheitswährung anwerfen ließen. Hinter ihnen standen selbstverständlich handfeste kapitalistische Interessen: Mit dem Euro ließen sich in Europa natürlich bessere Profite machen und man konnte sich auch von Europa aus gegen die anderen kapitalistischen Zentren wie USA und Japan viel besser positionieren. Das war für die Pro-Euro Lobby Grund genug, die wirtschaftlichen Unterschiede der Euro-Länder mir nicht dir nichts auszublenden. Ein Kontinent, eine Währung, Reichtum für alle. Na ja, wenn schon nicht für alle dann wenigstens für die Profiteure. 


Da wollten man sich die gemeinsame Währungseuphorie auch nicht mit dem Hinweis auf die gravierenden Defizite offensichtlich ungeeigneter Euro-Beitragskandidaten madig machen. Vorsätzlich gefälschte Wirtschaftsstatistiken, die den Beitrittskriterien nicht genügen? - aber bitte doch nicht kleinlich sein, es geht doch um unseren Götzen Euro, da sind keine Zweifel erlaubt. Ein Ausmaß an Korruption, die in den Euro-Kernländern die ganze Justiz lahmlegen würden? Nur nicht zimperlich sein, das ist halt mediterrane Lebensart. Steuerhinterziehung bis der Staat pleite geht? Man kann doch in Athen nicht mit dem deutschen Einkommensteuergesetz unterm Arm rumspazieren. 


Und so geschah der Konstruktionfehler des Euro: Eine Währungsuniform ohne irgend einen auch nur angenäherten Konsens, welche Normen an Ethik, Recht, Wirtschaftspolitik, oder Firmenverhalten diese divergierenden Euro-Staaten zusammenhalten sollten. Bei keinem dieser Kriterien gab es zu Beginn des Euro Konsens, es gibt ihn bis heute  nicht und ob es ihn jemals mal geben wird, steht hoch in den Sternen. Eine Schönwetter-Währung wurde geboren, in einer Euphorie ihrer Reißbrett-Konstrukteure, die weder einen Gedanken an das know how eines eventuell späteren notwendigen Exit noch an Risiken und Währungskrisen verschwendete, getreu dem kölnischen Faschingsvers: Et is ja immer jut jejange, jut jejange, jut jejange. 


 Nun fliegt der Bluff einer angeblichen harmonischen Währungsunion auf. Wenn ich in diesem Krisenzusammenhang auf diesen Konstruktionsfehler hinweise, der solch divergierende Staaten und ihre auseinanderdriftenden, gar konträren Finanz- und Wirtschaftspolitiken wie - um nur drei solcher völlig ungleichen Geschwister zu nennen -  Frankreich und Irland, Deutschland und Griechenland oder Niederlande und Portugal hinweise, wird mir entgegengehalten dass es ja gerade die Hoffnung sei, dass der Euro-Raum schrittweise immer uniformiert würde. 


Na ja, viel zu sehen ist davon zur Zeit nicht, man muss schon in sehr sehr langen Hoffnungszyklen denken, um sich angesichts der PIIGS noch eine hoffnungsvolle Euro-Perpektive einzusuggerieren. "Aber", sagen die Euro-Euphoriker, "Deutschland ist doch auch nicht homogen, und kein Mensch kommt auf die Idee, in Sachsen-Anhalt die Währung ab- und in Bayern aufzuwerten". Und das soll nun auch für den Euro-Raum als ganzen gelten. "Wir sitzen doch alle in einem Boot" wird dann meist so schön gesagt wird. "Ein Boot" mag ja geografisch so sein, aber die Insassen haben eben ganz unterschiedliche Kursinteressen, sind unterschiedlich geschulte Skipper, haben verschiedenen Ausbildungsstand als Matrosen. 


Bei einem direkten Vergleich Baden-Württemberg/Sachsen-Anhalt versus Deutschland/Griechenland wird der Denkfehler der Euro-Harmoniker deutlich: Wenn die BürgerInnen in Dessau Steuerhinterziehungen in großem Stil versuchen würden, die Regierung in Magdeburg massiv korrupt wäre oder das sachsen-anhaltinische Landesamt für Statistik sich mit drastischen Fälschungen vorsätzlich einen zu großen Happen am deutschen Länderausgleich erschleichen würde, dann wär das Geschrei in Stuttgart und Mannheim nicht zu überhören. 


Aber schon längst bevor die fleissigen, ehrlichen, sparsamen Schwaben überhaupt schreien oder zum Bundesverfassungsgericht eilen müssten, hätte natürlich das deutschlandweite einheitliche Strafgesetzbuch und die länderübergreifende Steuerfahndung zugeschlagen. Und genau an diesem Beispiel wird die Sackgasse des Euro-Raums deutlich. Egal wie steuerdiszipliniert sich ein Deutscher benimmt oder wie unbestechlich französische oder belgische Beamten agieren, gegen die massive Steuerhinterziehung in den Athener Reichenviertel oder die generelle Volksseuche Korruption in Griechenland kommt keine EU gegen an. 


Solange das so bleibt, wird der Euro den ersten wirklichen Krisentest wie jetzt nicht bestehen. Ja schlimmer noch: Nach einer von unverantwortlichen PolitikerInnen hochgeputschten Euro-Wahn werden die Völker Europas nach dem Scheitern des Euro umso fataler in bedenklichen Neo-Nationalismus zurückfallen. Schröder und Chirac hinterlassen kein gutes Euro-Erbe, sondern einen brisanten politischen Scherbenhaufen. Man sollte besser keine Straßen nach ihren Namen benennen.

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