Rezension von Fredrik S. Heffermehl "The Nobel Peace Prize - What Nobel really wanted" Praeger 2010, Santa Barbara, 241 Seiten
Heffermehl ist ein Whistleblower im besten Sinne des Wortes. Er schlägt Alarm und lässt sich nicht vom Establishment abspeisen. Er wendet sich an alle, die sich nicht von den alljährlichen großen Festreden in Oslo blenden lassen. Heffermehl geht mutig und mit großer Akribie zurück zu Nobels Testamenttext, vergleicht ihn mit der Verleihungspraxis des Friedensnobelpreises in der Gegenwart und kommt zu einem erschreckenden Ergebnis:
Vom eigentlichen (letzten) Willen Nobels ist nichts mehr übrig geblieben. Die Intentionen Nobels haben sich ins Gegenteil verkehrt.
Etwas hellhörig sind wir ja vielleicht schon geworden, als solche Leute wie Gore, Athtisaari oder gar Obama den Preis erhalten haben, aber vielleicht sind wir alle immer noch zu sehr Opfer der Orwell-haften Kalten Kriegs-Rhetorik, für die tote Zivilen nur collateral damages sind und Kriege in militärische Sicherheitsoperationen umstilisiert werden.
Es ist das Verdienst von Heffermehl, sich nicht durch diese Preisvergabepraxis blenden zu lassen, sondern unerbittlich immer wieder zu fragen und zu suchen: Was war die eigentliche wahre Absicht Nobels, diesen Preis zu stiften?
Die internationale Öffentlichkeit ist in der Tat eingelullt durch die großen Namen von Staatschef und hohen Diplomaten, die zunehmend den Preis in den letzten Jahren erhalten haben. Dabei waren Nobels Ziele und Zielgruppe ganz anders: Nobel wollte den Preis für "Brotherhood between nations, for the abolition or reduction of standing armies and for the holding and promotion of peace congresses" stiften (so die Textung in seinem Testament). Und im Testamenttext findet sich dann später auch noch eine präzisere Angabe der Preis-Zielgruppe: "For champions of peace".
Wenn man dies liest, muß man allerdings den Kopf darüber schütteln, wie weit sich die Vergabepraxis des Nobelpreis-Komitees von diesen klaren Vorgaben Nobels entfernt hat. Nobel ging es offenbar nicht um eine vage allgemeine Förderung der Friedensidee, sondern sehr konkret um die Würdigung aktiver Friedensarbeit im Sinne von Abrüstung und Kriegsbeendigung. Legt man dieses originäre Preisverleihungs-Kriterium Nobels zugrunde, ist es nicht unbillig, solchen FriedennobelpreisträgerInnen wie Mohammad Yanus, Wangari Maathai oder nun Liu Xiaboo zwar keinesfalls ihre hohen Engagements-Verdienste abzusprechen, sie aber dennoch nicht als KandidatInnen für den Friedenspreis, wie Nobel ihn definiert hat, zu definieren.
Heffermehl, ausgewiesener Jurist, belässt es aber nicht nur bei juristischen Gründen, die gegen eine solche Fehlentwicklung des Friedensnobelpreises sprechen, sondern macht sozusagen auch eine Gegenliste auf: Eine beeindruckend lange Liste von Personen, die seiner Meinung wirklich - exakt dem Willen von Nobel - PreisträgerInnen hätten sein müssen, es aber eben mit klarer Absicht des Preiskommittes nie geworden sind.
Bedauerlicherweise fehlt in dieser Liste Heffermehls leider z.B. der leider allzufrüh verstorbene neuseeländische Friedensforscher
Owen Wilkes, der mit seinen mutigen bahnbrechenden Analysen das bis dahin völlig unbekannte internationale Netzwerk der amerikanischen Atombewaffnung aufgedeckt hat und für viele lokale FriedensaktivistInnen in Westeuropa didaktisch maßgebend gewesen.
Und - auch unverständlich - Heffermehl erwähnt in diesem Zusammenhang auch keine der mutigen MilitäranalytikerInnen in Deutschland, ein Land, das doch jahrzehntelang der von der CDU und den USA deklarierte Frontstaat im Ost-West-Konflikt war mit einer sonst nirgendwo bestehenden Dichte an atomaren Arsenalen, Trägersystemen, Kommunikationsstrukturen und Depots.
Dass hier AktivistInnen der lokalen Militäranlyse wie z.B. Ines Reich, Gerhard Biederbeck oder Olaf Achilles, um nur drei stellvertretend zu nennen (an deren Zusammen sich der Rezensent mit Respekt erinnert), mit ihren Recherchen ein jahrelanges nationales Tabu gestoppt haben, bringt sie sicherlich in den engeren Kreis derjenigen, für die Nobel seinen Friedenspreis entworfen hatte.
In diesem Zusammenhang wird im Rahmen der Argumentation von Heffermehl auch deutlich, dass Nobels Friedenspreis eigentlich im wahren Sinne als Antimilitarismuspreis gedacht war. Auch das zeigt, wie sehr sich die jetzige Verleihungspraxis (letztes Beispiel: Obama!) von den Zielen Nobels entfernt hat.
Der zweite Teil des Buches schildert die - bislang - erfolglosen Bemühungen Heffermehls, das norwegische Friedensnobelpreis-Komitee wieder zu einer genuinen Orientierung seiner Verleihungen an den wirklichen Testamentswillen Nobels zu bringen.
Das Komitee, das norwegische Parlament, die Öffentlichkeit in Norwegen wiegeln Heffermehls Argumente (die er bereits in einem vor Jahren erschienenen norwegischen Buch präsentiert hat) als unzutreffend oder nicht mehr zeitgemäss ab, im schlimmsten Fall übergehen sie seine Argumentation mit Schweigen.
Man darf gespannt sein, ob mit dieser englischen Publikation nun neuer Schwung in die Kontroverse kommt. Leicht wird es Heffermehl sicherlich nicht haben. Die Verleihungspraxis des Friedensnobelpreis in Richtung eines wirklichen Friedensaktivismus und Antimilitarismus zu verändern und damit - wohlgemerkt - Nobels letzten Willen wirklich ernsthaft zu würdigen, ist vielleicht noch schwieriger als Norwegen aus der NATO austreten zu lassen.
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