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Thomas Frickes Tagebuch aus der Welt der Wirtschaftswunder - über wunderbare Wachstumstrends, wundersame ökonomische Klischees und wundervolle wie verwunderliche Theorien
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Thomas Fricke
Was unsere Bundeskanzlerin vergangene Woche als europäische Wirtschaftsregierung verkaufen wollte, hat schon etwas Freches: die Kriterien, die in der Euro-Zone zur angeblichen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erfüllt sein sollen, sind fast ausnahmslos solche, die - was ein Zufall - Deutschland schon erfüllt: vom erhöhten Rentenalter bis hin zur Schuldenbremse. Da dürfte sich mancher unter Koordinierung anderes vorgestellt haben, als deutsche Knebelvorgaben zu erfüllen. Eins allerdings wirkt diesbezüglich überraschend.
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Zu den Forderungen des avisierten Pakts für Wettbewerbsfähigkeit, den Merkel mit Nicholas Sarkozy entworfen hat, gehört auch die "preisliche Wettbewerbsfähigkeit", wie sie an Arbeitskosten zu messen sei. Klingt erstmal ebenfalls nach deutscher Selbstlobempfehlung. Allerdings hat irgendwer dahinter geschrieben, dass es da "z.B." um die "Stabilität der realen Lohnstückkosten" und die "Orientierung der Arbeitskosten an der Produktivität" gehen könne.
Die Formulierung hat bei näherer Betrachtung etwas Revolutionäres, zumindest gemessen an der üblichen deutschen Orthodoxie. Nach entsprechend neoklassischer Lehre müssen die Lohnkosten ja eigentlich so lang hinter der Produktivität zurück bleiben, wie es noch Arbeitslosigkeit im Land gibt - weil es angeblich keinen anderen Weg gibt, Arbeitslosigkeit abzubauen, als Arbeit billiger zu machen (von Konjunktur haben Neoklassiker nie was gehört). Wenn das stimmt, müssten die Lohnstückkosten sinken, und zwar nominal.
Kurios: Nach Sarkozy-Merkel-Formel dürfen sie dagegen sogar so stark steigen wie die Inflation - nur "real" müssen sie ja "stabil" sein. Das kommt wiederum eher den Positionen gewerkschaftsnaher Ökonomen wie dem Ex-Sachverständigen Jürgen Kromphardt nahe. Alle Orthodoxen müssten Sturm laufen, allen voran der ewige Sachverständige Wolfgang Franz.
Die Formulierung passt denn auch so gar nicht ins Kapitel "Deutschland zeigt euch, wie's geht". Denn nach amtlicher Statistik sind die realen (!) deutschen Lohnstückkosten zwischen Ende 2000 und Krisenausbruch 2008 um sage und schreibe 10 Prozent gesunken, Ende 2010 lagen sie immer noch real 6,3 Prozent niedriger als vor zehn Jahren (bei einer Arbeitslosenquote, die damals übrigens kaum höher lag als heute). Stabil ist das nicht.
Frau Merkel wird doch nicht wollen, dass sich Deutschland am Ende doch nochmal rechtfertigen muss, weil die Löhne einfach zu stark gebremst worden sind?

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