Freitag

Merkel: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Die Berliner Befindlichkeit 
eine Text/Bild-Montage:





"Unsere Kanzlerin übrigens hat jüngst auch wieder eine Rede gehalten, zum neuen Jahr, sie musste es tun. Mühselig und freudlos arbeitete sie sich durch die nationalen Schicksalsfragen hindurch, vom Frauenfußball bis zum Afghanistanfeldzug. Eine Redekünstlerin ist sie nicht und wird es wohl nimmermehr werden. Aber wieviel bessere Redner hat die Dame zur Seite geräumt: Schröder, Schäuble, Merz, Koch. Vielleicht ist die Schweigekunst doch die noch größere Kunst."
(aus "Das Streiflicht" in der SZ von heute)




January: Let´s Make Money

Der große Anleihe-Kalender in diesem Monat:


Quelle: FTD 6.1.11

Hellas: nach der Pleite hört auch der Humor auf

Spottanzeige der  Finanzwett-Agentur Capital Spread in London:

"Griechische Anleihen (bonds) sind im freien Fall, nachdem die Gefahr des Bankrottes immer grösser wird. Kommt für sie a) nur ein Bond infrage, der den Vornamen James trägt oder b) wetten Sie weiter auf den Verfall des Euro?"

Der griechische Finanzminister versteht anscheinend keinen Spass und überlegt die Firma anzuzeigen. Die Firma wieder kontert im griechischen Fernsehen: Das sei doch alles nur lustig gemeint. 

Wenn Hellas schon das Geld ausgeht, dann hoffentlich nicht auch gleich der Humor.
(Referenz: FTD von gestern)

Eesti Euro - quo vadis?

Die Kolumne von Thomas Fricke und seines  Kollegen Münchau sind immer die schönste Lektüre des Unbequemen Bloggers in der von ihm eh favorisierten FTD. Aber was Fricke heute zum Euro-Beitritt Estland schreibt, ist absolut eine Kommentar-Perle



Auch der Unbequeme Blogger, er sagt es offen, hat über den Estland-Eurobeitritt hinweggedämmert als quantitee negliable. Aber durch Frickes Scharfsinn ist er vollkommen wachgeworden. Und diese Supersprache, diese Mischung von Ironie, sofort im Kopf haftenden Beispielen, englischer Humor - einfach Spitze. Die 2 euro Lesegenuß lohnen sich.  

Aber auch, wie Fricke - Stichwort: "Lehre 1,2,3" - im Mikrokosmos des Eesti-Euro Beitritt den Makrokosmos Euro-Finanzkrise entwickelt und darstellt, ist toll. Den Unbequemen Blogger erinnerte es an eine Vorlesung seines verehrten Anglistik-Professors, der sag und schreibe aus einer einzigen völlig unscheinbar einherkommenden Zeile ("unlängst sah ich schöne Erdbeeren in Eurem Garten") den ganzen Richard II. von Shakespeare interpretierte... Das ist wirklich Kunst.

Hier ein paar appetizer, um noch heute in die online Ausgabe der FTD zu gucken: Im Zweifel fällt zwar sowieso nicht auf, was Estland macht, so der Allgemeinplatz hierzulande. Aber Griechenland ist auch nur klein und es wurde so viel Trara darum gemacht. Fricke stellt lapidar die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, weitere so potenziell überforderte Randstaaten wie Estland in die Euro-Zone aufzunehmen, denn die nächsten Krisenkandidaten stehn schon vor der Tür mit dem Argument "wenn die Esten dürfen, dürfen wir auch". 

Und im Laufe seines gelungenen Artikels demaskiert Fricke den allseits in Bruxelles so umschmusten baltischen Tiger: Würde Estland nicht so massiv am Tropf der EU-Zuschüsse hängen, hätte das Land griechisch anmutende 9 Prozent Defizit bezogen aufs BIP. Und der Wirtschaftverlauf Estlands ist so turbulent wie kaum ein anderer auf der Erde verlaufen: Da wechselten Wachstumsraten von china-like 10 Prozent mit (nachdem auch in Estland die Blase geplatzt war) Schrumpfquoten von knapp 14 Prozent. Die private Verschuldung liegt dank Kreditpartylaune um 20% höher im Euro-Schnitt; Rücklagen sind kaum vorhanden. 

Und die estische Wettbewerbs-Unfähigkeit ist dramatisch. Noch immer liegen die Lohnkosten in Estland um 70% höher als vor 10 Jahren, dagegen ist Griechenland für Fricke eher ein braver schwäbischer Hausfrauenverein. Und Drei Viertel des estischen Exports entfallen auf arbeits- und rohstoffintensive Waren - ein höchst bedenkliches Exportprofil. Kein Wunder, dass sich die Esten jetzt über den Euro freuen. 

Wehe wenn nun noch andere Wackelkandidaten wie Estland in den Euro-Club aufgenommen werden, die zwar brav ihre (geschönten?) netten Staatsverschuldungsquoten vorlegen, aber "sonst so stabil sind wie Omas alter Küchenstuhl" (Fricke). 

Wenn Bruxelles wirklich an einer Stabilisierung des Euro-Raums gelegen ist, sollte es nicht auf frisierte Staatsfinanz-Bilanzen gucken, sondern wirklich nachhaltige Indikatoren für eine Beitritt wie Lohnstückkosten und Außenbilanzen als Maßstab nehmen. Sonst rutscht der Euro am Ende doch noch wirklich in den Abgrund der Geschiche. 

Prost Neujahr - Prost Eurokrise!

Das neue Jahr fängt schlecht an liest der Blogger im heutigen Eurointelligence News Briefing: 



Die Nervosität der Investoren springt von den PIGS nun auch auf Italien, Belgien und sogar Frankreich über. Westeuropäische Anleihen werden nun schon risikohafter eingestuft als solche von Rumänien, der Türkei und der Ukraine.


Und Belgien versackt immer mehr im politischen Chaos, nicht gerade ein Ermutigung für seine Finanzpobleme. Kein Wunder dass belgische Anleihen gestern massiv abstürzten. 


Mal sehen was die nächsten Monate im Euro-Abstiegskampf bringen.

Schluß mit der Nibelungentreue zum Euro

Je mehr sich die Aussichten für das Scheitern des Euro verdichten, umso mantrahafte versuchen uns wirtschaftsanalytische spin doctors einzureden: Wir müssten den Euro retten, koste es wollen. 

Thomas Hankes Appell in dem von mir abonnierten Handelsblatt von gestern, doch um alles in der Welt Vertrauen in diese Währung zu behalten, egal wie deren Schieflage ist, reiht sich in diese Beschwörungsstrategie ein. Allerdings überzeugt er nicht: 

Der Euro war ein doppeltes Fehlprodukt: 

1) Es war eine Schönwetter-Währung. Niemand hatte irgend einen Plan damals bei seiner Einführung, was mal werden würde, wenn Europa - wie jetzt ja ganz offensichtlich - in wirtschaftliche Turbulenzen geraten würde, 

2) Es wurden Staaten zusammengeschirrt, deren Wirtschaften völlig divergierten und die deshalb auch keine unisono Wirtschaftsinteressen hatten. Beides rächt sich jetzt fulminant.

Verschärft wurde diese Mißkonstruktion noch dadurch, dass Griechenland illegal - politisch gewollt aber wirtschaftlich unsinnig - in den Euroraum aufgenommen worden ist: durch massive Statistiklügen, vor denen Paris und Berlin - gegen ausdrückliche Warnungen von WirtschaftswissenschaftlerInnen - absichtlich die Augen verschlossen haben. 

Griechenland ist ein absurd hochgerüstetes und militarisiertes Land, das seine Sanierung bequem ohne den deutschen Steuerzahler betreiben könnte wenn es endlich sein aberwitzig aufgeblähtes Militär abrüsten und seine sinnlose Mega-Armee zum produktiven Arbeiten in die Wirtschaft schicken würde. 

Wenn die PIIGS jetzt so wohlfeil und laut nach sog. "Euro-Solidarität" rufen: Warum waren sie denn zehn Jahre lang im Euroraum uns gegenüber selber so unsolidarisch mit ihren Steuerbetrügereien und einem korrupten Gesellschaftswesen (Griechenland) und horrenden EU-schädigenden Immobilienblasen (Spanien und Irland)? Und warum haben Wirtschaftsanalytiker wie Hanke diese Mißwirtschaften nie klar und mutig demaskiert? Jetzt sollen wir das alles bezahlen? Sieht so die Euro-Transferunion aus?

Besonnene Staatsinsolvenzen und die Wiedereinführung alter Währungen sind keine Schande - beides hat Südamerika vor 30 Jahren gut aus den wirtschaftlichen Katastrophen dortige Länder herausgeführt. Wenn der Drachme wieder in vernünftiger Relation zur DM steht und Hellas nicht auf künstlich hohem Euro-Niveau agiert, bekommt die griechische Wirtschaft wieder gute Wettbewerbsvorteile, die der Euro in Griechenland zur Zeit verhindert. 

Und wenn schon nicht die komplette Beendigung der Eurozone, dann aber wenigstens einen getrennten "Nordeuro" für D, FRA, NL und Lux. und einen "Südeuro" für die Rest-PIIGS und die beiden Nachfolge-Euros dann in einem realistischen Wechselkurs zueinander, nicht politisch künstlich und unrealistisch uniformgetrimmt. 

Vor dem Euro funktionierte Europa prima, es gab keinen Krieg, und jeder bekam den Lebensstil den er wollte - der Grieche halt mehr siesta als der Engländer und die Österreicherin sparsamer als die Polin. Seit dem Euro fing es mit Zwangs-Verteuerung beim Kaufen bei uns an und jetzt sollen wir auch noch für die PIIGS blechen. Der Euro war ein Instrument, damit die Wirtschaftsakteure, speziell in D und F eine weitere intensivere Profitmaximierungsrunde eröffnen konnten. Hier lohnt sich ein Blick in die Analysen von Niklas Luhmann. 

Und wer jetzt moralisch argumentiert, dass wir mit dem Euro die PIIGS unterstützen müssen: Warum dann nicht gleich den Welt-Euro einführen - eine gemeinsame Währung, mit der wir mit Somalia, Indonesien, Chile zwangsweise verbunden werden, Länder, denen es weitaus dreckiger geht als den PIIGS. Ich bin durchaus für Hilfe von Reich nach Arm, mein ganzes Berufsleben drehte sich um diese ethische Transferperspektive, aber nicht mit falschen monetären Instrumenten.

Die Worte "Währungsreform" und "Geldabwertung" sind jetzt nicht länger mehr Begriffe aus der historischen Mottenkiste der 20er Jahre, sonder leider sehr reale Bedrohungen. Und gegen den Zulauf, den nationalpopulistische Parteien bei einer deutschen Währungsreform rechts von der CDU bekommen werden, dagegen ist die jetzige NPD nur eine Marginalie. Über die gesellschaftlichen Verwerfungen in Deutschland, wenn es zum finanziellen crash auch bei uns kommt und die SparerInnen ihre Sparbücher getrost verbrennen können, weil die Euro-Blase geplatzt ist, davon werden dann die späteren Geschichtsbücher schreiben. Die jetzige Euro-Mania ist strukturell-argumentativ das gleiche Mantra, mir der man uns die Renten als "total sicher" verklickern will. Schluß mit dem Euro-Wahn!

Das Multi-Wahljahr 2011 wird zeigen, dass die WählerInnen keine Nibelungentreue zum Euro haben und die Finanzmärkte werden ihrerseits die sog. "Rettungs"pakete, die immer eilfertiger in Bruxelles und Frankfurt geschnürt werden, als das entlarven was sie sind: Ein Bluff. Gut so!