Sonntag

Hellas und der Euro

Burkhard Luber

Fünf Thesen zu Europa nach dem Referendum in Griechenland


Wem nützt der Euro?
Bestimmt nicht der jungen Generation in Südeuropa. Dort sind die Arbeitslosenzahlen genau nach der Einführung der neuen Zwangswährung sprunghaft angestiegen. Eine Änderung ist nicht abzusehen. Bestimmt auch nicht den SparerInnen, die nun über Niedrig- (demnächst sicher auch: Minus-Zinsen) für ihre Einlagen faktisch enteignet werden. Bestimmt aber den Profiteuren in den Unternehmen, die mit der Einheitswährung noch bessere Gewinne erzielen können als bisher und die bisherigen Sparer nun endlich zu Zwangs-Konsumenten degradiert haben (“Sparen lohnt nicht mehr”).





Der Euro - weiterhin blind in die Sackgasse?
Vor dem Euro waren die einzelnen Volkswirtschaften in Europa sicherlich nicht perfekt, aber sie funktionierten. Wenn einmal etwas schlechter lief, hatten die ärmeren Länder immer noch den Joker einer maßvollen Abwertung ihrer nationalen Währungen. Die Einführung des Euro war damals der Preis, der Frankreich für seine Zustimmung zur deutschen Vereinigung forderte. Schon bei seiner Einführung wurden die notwendigen Stabilitäts-Kriterien zunächst von Griechenland, später auch von anderen Ländern nicht eingehalten. Niemand störte das - es ging ja um den heiligen Euro. Da war jegliche Kritik verboten.

Seitdem nun der Erhalt des Euro zur Chefsache von Merkel und Co. erklärt worden ist, bleibt die wirtschaftliche Vernunft erneut auf der Strecke. Anstatt - aber darauf hofft man bei Politikern vergebens - auch einmal einen Fehler (hier: den Euro) einzugestehen und ihn konstruktiv zu reparieren, verrennt sich die politische Kaste in immer neue aberwitzige “Rettungs”aktionen. Anstatt einzusehen, dass man erstmal die Einzel-Wirtschaften in ein akzeptables Miteinander bringen muss, ehe man sie mit einer Einheitswährung unifomiert, setzt - stellvertretend - der EZB-Boß die Messlatte unendlich hoch: “Wir retten den Euro, egal was es kostet!”. Ja, Draghi kann leicht “egal” sagen. Wenn die nachfolgenden Generationen einmal das Fiasko des Euro bitter bezahlen müssen, hängt sein Foto längst in der Ahnengalerie der EZB in Frankfurt. Europabank-Präsidenten werden nicht in Haftung genommen.


Die Unehrlichkeit der Euro-Macher
War schon die Entstehung des Euro für die Bevölkerung konterproduktiv, haben im Zuge der Euro-Krise hochrangige PolitikerInnen (wie Lagarde und Juncker) offen zugegeben, dass sie es mit der EU-Verfassung und anderen Rechtsvorschriften  nicht so genau genommen haben, als sie die Bestimmungen des AEUV-Artikel 125 (kein bail-out in der EU) gebrochen und mit dem Errichten immer teurerer “Rettungsschirme” die Kollektivierung von Staatsschulden festgesetzt haben. Und das in einem Umfang, der die finanzielle und wirtschaftliche Vernunft, ja das Vorstellungsvermögen weit übersteigt.


Griechenland
Wer sich in Griechenland am Euro bereichert hat, ist klar: Immobilien-Spekulanten und andere aus der oberen Klasse. Schon vor dem Referendum wurde massenweise Kapital (natürlich nur von denen, die es hatten…) ins Ausland gebracht. Dass es Reformen in Griechenland geben muss, ist genauso klar: Tote dürfen keine Renten beziehen, Gesunde kein Blindengeld, Steuersünder müssen zur Rechenschaft gezogen werden, die aberwitzige Aufrüstung Griechenlands muss gestoppt werden. Anderseits kann Europa Griechenland dankbar sein, dass es sich die jetzige Regierung in Athen nicht gefallen lässt, nur noch Befehlsempfänger von Berlin, Bruxelles und Frankfurt zu sein. Ja, Merkel, Juncker und Schulz haben recht in ihrer Angst, dass Griechenlands Nein zum asozialen Spardiktat in Europa Schule machen könnte und demnächst auch Italien und Spanien die politische Hierarchie in Europa in Frage stellen. Gut so!


Welches Europa brauchen wir?
Bestimmt keines, in dem nur die reichen Länder das Sagen haben. Auch keines mit dem Wahn, den Euro “um jeden Preis” erhalten zu müssen. Denn die Zeche für diesen Wahnsinn zahlen natürlich nicht die PolitikerInnen sondern wie sonst auch immer die Arbeitslosen, Armen, RentnerInnen, Sozialhilfe-EmpfängerInnen. Wem nützt also ein in so asozialer Weise “vereintes” Europa? Wäre es statt eines solchen in topdogs und underdogs gespaltenen Kontinents nicht besser, ein Europa zu haben, das statt Billionen für den Erhalt einer gemeinsamen Währung zu riskieren, “nur” in schlichter Weise aus Einzel-Staaten besteht, die in solidarischer Weise friedlich und konstruktiv miteinander koexistieren?