Mittwoch

Die Regierung verplappert sich: Deutsche Banken in Irland massiv gefährdet

Regierungssrpecher Seibert

Durch einen Patzer des deutschen Regierungssprechers kam jetzt heraus, dass die deutschen Geldinstitute mit ihren umfangreichen Krediten im bankrotten Irland viel gefährdeter sind, als man es den BürgerInnen bisher gesagt hat. 
"Irland-Krise und kein Ende" titelt also zurecht das Handelblatt in seiner Ausgabe vorgestern, damit auf die Gefahr des Domino-Effektes in der Euro-Schuldenzone hinweisend, der schon von mehreren Finanzanalytikern angekündigt worden ist. Wenn auch deutsche Banken in den irischen Kollaps hineingezogen werden, hilft auch der grösste Mega-Hilfsschirm nicht mehr. 


Für Irland selber stehen die Prognosen auf Sturm: Moody´s hat die Bonität des Landes erneut heruntergestuft und plaziert es nur noch knapp oberhalb des sog. "Junk-Status", auf den normalerweise nur Staaten mit horrender Inflation und Schuldenstand z.B. in Südamerika stehen. Die irische Immobilienblase hat sich drastisch geplatzt; jeder 10. irische Immobilienkredit hat bereits jetzt einen Zahlungsrückstand von drei Monaten und mehr. Ein Ende ist nicht abzusehen. 


Düster menetekeln die Analysten, ob die spanischen Geldhäuser vielleicht die gleichen massiven Liquiditätsproblemen wie die irischen haben. In diesem Fall wird eine Euro-Talfahrt einsetzen, vor der die griechischen und irischen Stationen fast niedlich aussehen.  

Morgen kommt der China-Mann, kommt mit seinen Gaben





Wie groß muß die Verzweiflung in Euroland schon sein, wenn man fast kniefällig sich hierzulande bedankt, dass nun der große Bruder aus dem Osten das sinkende Euro-Schiff retten will. Als ob das die Rettung wäre. China hat ja früher schon Griechenland und Portugal huldvoll mit dem Geldsack gewunken, ohne dass das dort irgend was verbessert hätte. Wenn die Chinesen sich wirklich als Käufer bei den PIGS betätigt hätten, hätten sich deren Spreads nicht so fatal entwickelt wie jetzt. Aber wenn der Euro erstmal von China abhängig sein wird, dann hat er auch keine Überlebenschance mehr. Man kann den Chinesen dankbar sein, wenn sie gerade mal keine Portugiesischen Anleihen verkaufen - eine großartige 

Währenddessen überlegt Moody’s Portugals Bonität erneut herabzustufen: Kein Glauben hat die Ratingagentur in die Nachhaltigkeit der portugiesischen Wirtschaft und Zweifel ob sich Portugal überhaupt am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Immerhin: Portugal braucht 4,5 Milliarden Euro jetzt und im Juni nochmal 5 Milliarden Euro, um nicht pleite zu gehen. 

Wolfgang Münchau, FTD, sieht die FDP in einer dramatischen Existenzkrise, noch dramatischer als der Verfall der SPD. Ohne klare FDP-Definition was Liberalismus in der gegenwärtigen Krise sein soll, gibts für diese Partei keine Zukunft. 

Interessant zu sehen, wie die internationalen Spekulanten von der Eurokrise profitieren. Nicht indem sie Anleihen zurückfahren, sondern den  Euro selber. Lieber investieren sie z.B. in Australische Dollar, weil die australische Zentralbank ihre Zinssätze sehr viel rascher als die EZB erhöhen wird. 

(Referenz: Eurointelligence News Briefing von heute)

Aufklärung nur off-line?

Rezension von:
Martha C. Nussbaum "Not for Profit. Why Democracy Needs the Humanities. 
Princeton University Press 2010, 158 Seiten, 17.95 Euro



Martha Nussbaum kommt als Predigerin in der Wüste einher. Die Wüste, das ist unsere merkantile Welt mit ihrer Profitgier, ihrem Utilitarimus, dem Immer Mehr Haben Wollen. Halt, ruft die Autorin, manchmal beschwörend, manchmal verzweifelt, aber immer mit redlichem Edelmut. Man bewundert die Geduld von Nussbaum, denn das, wogegen sie anschreibt, manchmal regelrecht anrennt, dominiert ja die kapitalistischen Gesellschaften des 21. Jahrhundert: Karrierebewußte Eltern sorgen sich darum, dass ihre Kinder nicht zu viel Firlefanz wie alte Sprachen, Musik, Literatur, Philosophie unterrichtet bekommen. Trendige Manager halten von Sabbatjahren, Kultur und den Humanities überhaupt nichts, solche abwegigen Pfade stören nur die Umsatzsteigerung. 


Und da segelt nun Nussbaum auf ihrem idealistischen kleinen Überzeugungsboot, setzt ihre Segel mit Appellen, seufzt und schimpft mitunter wenn ihr der Neo-Merkantilismus ins Gesicht bläst. Man bewundert den aufrechten Gang dieser Autorin, oder sollte man besser sagen: Heldin. Allein gegen den Rest der Welt scheint ihr Motto zu sein und manchmal nimmt ihre Frontstellung schon Don Quichotte´sche Züge an. Denn gegen die Krake Marktorientierung ist schwer anzukommen. 


Dankenswerterweise sind die Humanities für Nussbaum keine l´art pour l´art, sondern wichtige Elemente im demokratischen Gemeinwesen. "The crisis is facing us, but we have not yet faced it", stellt Nussbaum mit Sorge fest, also will sie uns wach machen, aufrütteln: Vergesst den Tanz um das goldene Kalb der Eignungstests, assessement centers, Evaluationszwänge. Amerika ist besser als das alles, hat tiefere Werte. 


Leider übersieht Nussbaum, auch wenn sie natürlich den Text der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung voll verinnerlicht hat, dass 

"Life, liberty and the pursuit of happiness" nicht nur hehre idealistische Normen sind, sondern handfeste Wirtschaftsinteressen indizieren.


Nussbaum zieht alle Register aufgeklärter Erziehung und holt Denker wie Fröbel, Pestalozzi, Tagore heran, aber ob das die/den LeserIn im Zeitalter des Web wirklich überzeugt? Es ist ja überhaupt ein bemerkenswertes feature dieses Buches, dass die Autorin - sonst absolut auf der Höhe ihrer Zeit - mit keinem Wort das Internet erwähnt. Kein Wort zu den neuen Social Media wie Facebook, Blogging, Twitter. Ihr Engangement für mehr kritische politische Bildung sei der Autorin unbenommen, aber die Art und Weise wie wir uns schon seit Jahren anders als früher, nämlich hauptsächlich online bilden und informieren reflektiert sie überhaupt nicht. Deshalb bleiben ihre Argumentationsstränge schwach und nicht überzeugend, und der Rezensent kehrt letztlich doch wieder zu dem Slogan "It´s the economy, stupid" zurück. Auch eine Auseinandersetzung Nussbaums mit dem systemtheoretischen Paradigma von Niklas Luhmann, z.B. "Das Erziehungssystem der Gesellschaft" hätte in diesem Buch nicht fehlen dürfen.  


Richtig ärgerlich ist die anscheinend selbst im Jahr 2010 noch ungerübte Obamania der Autorin auf S. 136-137. Nichts gelernt aus dem Abstieg des bei der Wahl als wahre Lichtgestalt hochgestylten Präsidenten? Seine nur mit Hängen und Würgen durchgepeitschte Gesundheitreform, die jetzt vom Verfassungsgericht die rote Karte gezeigt bekommt? Sein Einknicken vor der völkerrechtswidrigen Siedlungsexpansion Israels? Die angesichts der Truppenaufstockung in Afghanistan völlig abwegige Wahl zum "Friedens"nobelpreisträger? Hier hätte der Autorin etwas mehr eigene persönliche Bildung und Aufklärung not getan.  

Tief, tiefer, FDP

FTD 22.12.10 online Ausgabe