Montag

Abrüstung jenseits von Guttenberg

Meine FreundInnen warnen mich. Ich solle mich in meiner Euphorie nicht von dem smarten Baron blenden lassen. Sie haben recht, aber auch wieder nicht. 





Tatsache ist erstmal: Noch nie ist das deutsche Militär in der Geschichte unseres Landes dermaßen verringert worden wie in den Plänen unseres jetzigen Militärministers. 





Jahrzehntelang haben gebetsmühlenartig Friedensforscher und die Friedensbewegung auf den Dinosaurier Bundeswehr gedeutet und Dutzende von Abrüstungsideen aufgetischt. Alles vergeblich. 





Und im Jahr 2010 fällt nun in unserem Land fast wöchentlich wie Dominosteine ein militärisches Tabu nach dem anderen dem finanziellen Rotstift zum Opfer: Ein Drittel der U-Boote, die ganze Wehrpflicht (selbst die CSU ist nun völlig eingeschwenkt und tut als habe sie nie was anderes gewollt...), 40.000 weniger SoldatInnen, diverse größenwahnsinnige Rüstungsprojekte, Dutzende von Garnisonsstädte (die gar nicht wissen werden wie ihnen geschieht), und ein Ende ist noch gar nicht abzusehen. 





Und diese tiefgreifenden militärischen Veränderungen sind eindeutig mit dem Namen Guttenberg zu verbinden. Aber der Baron ist natürlich beileibe kein Pazifist. Militarist ist er allerdings auch nicht. Er führt die Bundeswehr schneidig eben als Konzern, so wie Guttenberg BMW, die Bahn oder Siemens führen wurde = rein kosteneffektiv, alle Firmentraditions-Kosmetik ausblendend. 





So stellt sich für den Baron auch der Handlungsbedarf bei der  Bundeswehr dar: zu wenig verschlankt, zu teuer, zu ineffizient gemanagt. Dass bei einer kleineren Bundeswehr dennoch deren Auslandeinsätze effizient vonstatten gehen können, wer will das diesem Politiker verdenken. Guttenberg ist eben wirklich kein Pazifist. 





Als Friedenaktivist ist es also berechtigt zu fragen: Gibt es denn noch mehr Abrüstungsspielräume als wie sie zur Zeit auf der Hardthöhe ausgeheckt werden?





In diesem Zusammenhang trifft es sich gut, dass mich dankenswerterweise neulich ein Kreisverband der LINKEN eingeladen hatte, als Friedensforscher zu den Friedenspolitik-Passagen im Entwurf ihres neuen Parteiprogramms zu referieren. Ich hab das - sozusagen als Test, was es noch an Abrüstungsideen jenseits von Guttenberg in der deutschen politischen Landschaft gibt - gerne gemacht. 





Ich saß sogar just im gleichen Lokal, wo ich zum gleichen Thema schon mal vor fünf Jahren gewesen bin. Damals nannte sich das Auditorium noch WASG und ich landete mit meinem Thema dort überhaupt nicht. 







Diesmal war ich optimistischer. Denn als ich bei meinen Referatsvorbereitungen die Abrüstungspassagen des LINKEN Parteiprogrammes las, merkte ich: In dieser Partei hat sich vieles getan. So habe ich mit großer innerer Zustimmung diese Programm-Passage gelesen, wo viele Positionen vertreten werden, die ich als Friedensforscher schon immer vertreten haben, aber nie bei den anderen Parteien wirklich Gehör dafür fand.













Nachdem sich die Grünen als Abrüstungspartei verabschiedet haben und jetzt sogar jeden Auslandseinsatz locker durchwinken, ist kein anderes Parteiprogramm bei Friedenspolitik und Abrüstung so deutlich wie die LINKE.


Für den Abend beim Kreisverband hatte ich neben dieser generellen Übereinstimmung der Positionen zwei



 praktische Fragen mitgebracht:






a) wie plant die LINKE diese Forderungen umzusetzen


b) ist die LINKE bereit, für die Umsetzung dieser Forderungen auch öffentlich, z.B. bis hin zu Kommunalwahlkämpfen, einzutreten?



Diese beiden Fragen habe ich dann u.a. an den folgenden wichtigen Punkten des LINKEN Parteiprogramms verdeutlicht, immer unter dem Aspekt: Wie werden diese an sich guten Forderungen konkret operationalisiert?

















Wenn die LINKE ihre internationale Politik "auf das Prinzip Ab-Rüstung (!) gründet", dann muss sie jedes Jahr konkret das Bundeswehr-Profil checken, welches Rüstungssegment diesmal entfernt werden soll.


Wenn die LINKE ihre Politik "auf das Prinzip der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit gründet" und den "Umbau der deutschen Streitkräfte auf der Basis strikter Defensivpotenziale" fordert, dann muss sie für eine Bundeswehr eintreten, die unabhängig von wechselnder Politik und unabhängig von politischen oder militärischen Absichten grundsätzlich (das meint das Wort "strukturell"!) bei ihrem Auftrag und ihrer Ausrüstung nicht-angriffsfähig ist



















  1. Das heisst konkret: Jedes Waffensystem muss auf seine strukturelle Angriffsfähigkeit analysiert werden und wenn es strukturell angriffsfähig ist, muss es abgeschafft werden. 





























  1. Beispiele für solche strukturell angriffsfähigen Komponenten gibt es in der jetzigen Bundeswehr noch reichlich: Kampfpanzer, Raketenverbände u.a. Wenn man konsequent sein will: überhaupt der grösste Teil von Marine und Luftwaffe.















Wenn die LINKE "gegen eine Verknüpfung von militärischen und zivilen Maßnahmen ist", muss sie konsequenterweise alle CIMIC-Einheiten in Deutschland abschaffen, muss - z.B. - gegen die Verharmlosung der Bundeswehr auf Kinderseiten  von Zeitungen sein, gegen öffentliche Vereidigungen und gegen Militärkonzerte in Kirchen. 























  1. Wenn die LINKE "alle in Deutschland stationierten Atomwaffen abziehen" will, muss sie ein Kataster erstellen, welche Atomwaffen wo in Deutschland gelagert sind, alle Atomwaffen-Lagerungsabkommen mit den ausländischen Lagerungs-Staaten kündigen und den Abzug konsequent kontrollieren.
















Wenn die LINKE "alle ausländischen Militärbasen in Deutschland schliessen" will, muss sie ein Kataster erstellen, welche ausländischen Militärbasen wo in Deutschland vorhanden sind, alle Militärbasen-Abkommen mit den entsprechenden ausländischen Staaten kündigen und die Schliessungen konsequent kontrollieren.




Zur öffentlichen Werbung für eine solche Abrüstungpolitik ist es dabei wichtig, 



Abrüstung nicht nur als eine ethische-normative Option in der Politik zu begreifen, sondern als eine Chance, dass das durch eine solche Abrüstung eingesparte Geld endlich anderen staatlichen Bereichen (Bildung, Sozialbereich, Gesundheitswesen) zur Verfügung gestellt wird. Denn das Militär ist - auch nach der ersten Abrüstungsrunde durch Guttenberg - immer noch der Bereich, wo noch enormes Sparpotenzial drin steckt und viel Finanzmittel für andere nicht-militärische Aufgaben in Deutschland frei werden können.


Wenn man immer mehr WählerInnen gut vermittelt, wieviel Einsparmaßnahmen im deutschen Militär noch möglich sind, die dann z.B. erzieherischen und sozialen Bereichen zugute kommen können, kann man mit dem Abrüstungsthema sogar offensiv Wahlkampf machen.


Wenn die LINKE diese Chance erkennt, wäre sie 



die progressivste Partei auf dem Abrüstungssektor, könnte (neue) Wählerschichten erschliessen, und wäre nicht mehr in der Gefahr, beim Abrüstungsthema von 




Guttenberg überholt zu werden....


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