Montag

Schubert Klaviersonate D 894 G-Dur

Ein guter Freund hat mir diese Komposition nahegebracht. In einer Einspielung von Mitsuko Uchida von 1996. Ich kenne Schubert kaum und war sehr beeindruckt. 


Für den Ersten Satz "Molto moderato cantabile" nimmt sich Uchida über 18 Minuten Zeit. Es soll Pianisten geben, die sich sogar mehr als eine halbe Stunde dafür nehmen. Das ist schon kompositorisch selten. Aber das Thema des ersten Satzes ist so bewegend, dass man es immer wieder hören mag und damit guten Herzens einschlafen kann. Die/der HörerIn sollte aber genügend Geduld, Konzentration und Empathie mitbringen. 


Ganz zum Schluß wurde ich traurig. Hatte ich es recht gehört: das Thema soll(te)... wieder erklingen, aber es erklang nicht mehr. Nicht mehr ganz. Eine Hemmung hörte ich. Bruch. Bruchstücke. Un-vollendet. Bitte, wollte ich sagen, spiel´ es vollständig. Aber es erklang nicht mehr vollständig. Darf man sagen: In der Ewigkeit möge er es zu Ende spielen. 


Quelle: classical.net

Mein Freund meinte, der Grund sei, dass das Thema eigentlich ewig weiter singen will, es aber auf Erden doch auch sein Ende finden muss. 


Ich verstehe das schon, dass Sehnsucht nach Ewigkeit und temporale Endlichkeit in Spannung zueinander stehen, aber der tonale Schluß bei dieser Sonate hat mich doch etwas unruhig werden lassen. Da hörte ich eher heraus: Schubert "schafft" das Thema nicht mehr, es ist ihm abhanden gekommen. 


Mein Freund nennt diesen Satz "unendlich traurig und gleichzeitig unendlich tröstlich". Eine Formulierung mit großer Spannweite, 
Traurigkeit und Trost so aufeinander zu beziehen. Romantisch sein, damit assoziierte ich früher "verspielte Personen in bunten Röckchen". Darüber bin ich in Gesprächen mit Freunden, die es besser wissen, hinaus gekommen. Aber letztlich konnten auch sie mir keine Antwort geben, warum "Die Schöne Müllerin" oder gar "Die Winterreise" so schlimm ausgehen. Mit viel gutem Willen, kann ich vielleicht noch beim Ersten in "Baches Wiegenlied" etwas Trost finden, aber im "Leierkastenmann"?

Mein Freund hat mich noch auf den Kontrast zwischen Beethoven und Schubert hingewiesen: Bei Beethoven die Exposition der Themen, ihr Widerstreit, ihre Versöhnung. Man denkt darüber nach im Kopf, wenn man die Musik hört. Bei Schubert: Gesungene, gemalte Melodien, für deren Gesang und Farbe sich Schubert viel viel Zeit nimmt, indem er die Themen-Melodien immer neu färbt, mal dunkler, mal heller, mal weicher, mal härter. 

Schubert soll gesagt haben: "Ich kenne keine heitere Musik".

Dowland hat ein Stück komponiert: "Semper Dowland, semper Dolens". Und viele viele "Lachrimae".

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